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Der Tee der drei alten Damen

Der Tee der drei alten Damen

Titel: Der Tee der drei alten Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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befriedigt, etwa wie der Airedale Ronny, wenn er einmal ausnahmsweise auf dem sonst verbotenen Sofa liegen durfte. Jakob mußte lächeln, denn es war lustig, Natascha weiter sprechen zu hören. Es dröhnte dann so merkwürdig, tief innen in ihrer Brust, und durch das andere Ohr vernahm er ihre Stimme, sehr weit, als würde sie als Echo vom hohen Himmel zurückgeworfen.
    »Dummer, kleiner Junge«, sagte Natascha, »wenn du den Mann kennen würdest, würdest du nicht so dumm fragen. Ich bin seine Sekretärin und… weißt du, er ist dick und schon ein wenig alt… Aber das ist Nebensache. Ich wollte von etwas anderem sprechen. Du kennst doch den alten Professor? Du hast mir doch einmal erzählt, daß du die Schule geschwänzt hast, um in seine Vorlesungen zu gehen.«
    »Professor Dominicé?« fragte Jakob, hob den Kopf, ganz hell wach, aber er wurde schnell wieder in seine ursprüngliche Stellung zurückgedrückt. »Was ist's mit dem Professor? Wladimir, mein Bruder, hat so dunkle Andeutungen gemacht, der Professor sei in einer schwierigen Situation. Was ist's, weißt du etwas?«
    »Hast du den Professor gern?« wollte Natascha wissen.
    »Außer meinen beiden Brüdern ist er der einzige intelligente Mensch, der in der Stadt Genf herumläuft«, sagte Jakob überzeugt. »Ich meine unter den Männern. Du bist auch nicht dumm.«
    »Danke«, sagte Natascha. »Aber wir können uns später Komplimente machen. Nun, dein Professor ist in Gefahr, und daß er in Gefahr ist, daran bin auch ich nicht ganz unschuldig. Das ist aber so gekommen. Als wir nach Genf kamen (und wir kamen zu einem ganz bestimmten Zweck) mußten wir zuerst einen englischen Diplomaten beobachten, der mit einem indischen Staat in Verbindung stand. Dieser hatte einen Privatsekretär, und an diesen Sekretär sollte ich mich heranmachen. Aber das gelang nicht, der Sekretär war anders als du, ich interessierte ihn nicht. Da bemerkte mein Mitarbeiter, daß dieser Sekretär, Crawley hieß er, und von seinem Tode hast du ja gehört, daß dieser Crawley mit deinem Professor eng befreundet war. Nun versuchten wir, Näheres über den Professor zu erfahren. Er ging oft zu einem Apotheker und von diesem Apotheker hatten wir schon in Paris gehört. Er war bekannt als Lieferant von Rauschgiften. Mein Mitarbeiter ist auch mit der sogenannten Unterwelt in Verbindung, er ließ sich an den Apotheker empfehlen, und durch Zufall traf es sich, daß ein Bekannter ihn persönlich bei diesem Apotheker einführen konnte. Und gerade an dem Abend, an dem mein Kollege bei diesem Apotheker war, wurde auf den alten Mann ein Überfall versucht, mein Mitarbeiter (übrigens heißt er Baranoff) konnte bei der Abwehr helfen und zum Dank erzählte ihm der Apotheker verschiedenes. Das war merkwürdig, denn dieser Eltester war als verschwiegen bekannt. Aber durch Eltester erfuhr Baranoff, daß dein Professor sich mit Giften abgebe, daß er Morphinist sei, daß er sich viel mit okkulten Phänomenen beschäftige. Und dann sei da noch etwas… Aber da wollte der Apotheker nicht weitersprechen, wir haben dann nur noch später aus Andeutungen erfahren, daß es hier in Genf eine Art geheimen Ordens gebe, das hat uns nicht weiter interessiert – die Nichtstuer des kapitalistischen Regimes müssen doch irgendeinen Zeitvertreib haben. Aber die Erzählungen des Apothekers, zusammen mit anderen Mitteilungen, die Baranoff erhielt, nämlich, daß der Professor Schulden habe, genügte uns, um den Professor in der Hand zu haben. Nun begann Baranoff die Vorlesungen des Professors zu besuchen, machte sich an ihn heran, lud ihn einmal zum Abendessen ein, stellte sich als ein Korrespondent der ›Prawda‹ vor, der über das Laboratorium des Professors einen Artikel zu schreiben gedenke, erzählte viel von Rußland, lud den Professor ein, am dortigen psychologischen Forschungsinstitut einen Vortrag zu halten. Dominicé ging aus seiner Reserve heraus. Baranoff wurde eingeladen, ihn einmal besuchen zu kommen. Und Baranoff ging hin, nahm mich mit.«
    Natascha schwieg eine Weile. Sie hatte mit einer neutralen Stimme gesprochen. Während des Schweigens wälzte sich Jakob zur Seite, er stützte den Kopf in die Hand und betrachtete seine Freundin wie einen fremden Menschen.
    »Für den alten Mann ist dies ein böser Abend gewesen. Und ich muß gestehen, daß er mir leid getan hat. Aber was soll ich mit Mitleid anfangen, wenn das Schicksal eines ganzen Landes auf dem Spiele steht? Wir hatten erfahren, daß der englische

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