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Der Tee der drei alten Damen

Der Tee der drei alten Damen

Titel: Der Tee der drei alten Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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die Hand. Die Schreibmaschine schien ihr wie der Mund eines Fabeltieres, aber alle Zähne dieses Mundes waren plombiert. Sie mußte selber lachen über die dummen Vergleiche, die ihr einfielen.
    »Es geht vorwärts«, sagte Baranoff. »Der Missionar, der Amerikaner, weißt du, der Sir Bose mit der Standard-Oil in Verbindung gebracht hat, arbeitet eigentlich für uns. Weißt du, was er macht? Er hat dort unten amerikanische Wahlmethoden eingeführt, und durch diese sind ein paar Leute ans Ruder gekommen, die nun Kirchen bauen wollen und Tempel zerstören. Es hat schon Ausschreitungen gegeben. Die Partei des vertriebenen Fürsten konspiriert gegen den Missionar, und der hat sich eine Leibgarde angeschafft, von bekehrten Bergbauern. Es gärt. Und das ist die Hauptsache. Wir sind immer dankbar, wenn andere Unzufriedenheit stiften. Unsere Leute organisieren die Kleinbauern, besonders die, die am Fluß wohnen und die andern, die in der Nähe der Ölfelder angesiedelt sind. Hoffentlich schlagen sie den Missionar nicht tot, das wäre unangenehm, Amerika müßte dann einschreiten. Die dialektische Methode ist mir lieber, und sicherer ist sie auch.«
    »Die dialektische Methode!« sagte Natascha und betrachtete aufmerksam die Tastatur der Schreibmaschine. »Und Sie sind ganz sicher, Kostja, daß die dialektische Methode Erfolg haben wird?«
    »Nun, ich glaube, daß dies durch die Untersuchungen Marxens, Plechanoffs und Lenins endgültig festgestellt worden ist.«
    »Also, Sie prophezeien, Kostja, Sie prophezeien aus Büchern.«
    Herr Baranoff zündete eine Zigarette an und zog den Rauch tief in seine Hühnerbrust. »Deine Skepsis gegenüber den Richtlinien der Partei wird manchen sicher interessieren. Schreib jetzt.« Herrn Baranoffs farblose Augen starrten böse, er sah aus, wie ein gereizter, an Fettsucht leidender Kater.
»An den Vorsteher des Departements für Justiz und Polizei
    Genf.
    Herr Staatsrat,
    Unverantwortliche fremde Elemente treiben mit den altbewährten Institutionen einer der ältesten Demokratien Europas ihr frevelhaftes Spiel. Sie wagen es, unter dem Vorwand, der Polizei Hilfe zu leisten, notwendige Verhaftungen zu unterbinden. Ist es Ihnen nicht aufgefallen, in wieviel Widersprüche sich ein Universitätsprofessor verwickelt hat, als er, inoffiziell, über den geheimnisvollen Mordfall an der Place du Molard ausgefragt wurde? Außerdem fühle ich mich verpflichtet, Sie von einer unbekannten Tatsache in Kenntnis zu setzen. In das Irrenhaus Bel-Air ist vor einiger Zeit ein Patient eingeliefert worden, der sicher interessante Aufschlüsse geben könnte. Auch sogenannte Geisteskranke, selbst wenn sie als Zeugen untauglich sind, können in ihrem Delir wichtige Fingerzeige geben, die auf eine Spur führen.«
    »Führen…« wiederholte Natascha, das Knattern der Hebel, das wie das Steppen eines verrückt gewordenen Tänzers geklungen hatte, verstummte, draußen schrie eine Straßenbahn, weil es so schwer für sie war, die Kurve zu nehmen.
»Ich würde Ihnen raten, sehr geehrter Herr Staatsrat, sich um Auskunft an eine Ärztin zu wenden, die in besagtem Irrenhaus Dienst tut und die versucht, der Justiz wichtige Fakten vorzuenthalten. Als ehrlicher Schweizer Bürger, den die Ausländerwirtschaft anekelt, die immer mehr überhand nimmt (Baranoff zerdrückte ein Lächeln), möchte ich Sie, Herr Staatsrat, in Ihrer schweren Säuberungsaktion – (streich schwer und schreib schwierig) –schwierigen Säuberungsaktion unterstützen und unterbreite Ihnen daher diese Fakten. Es ist nötig, mit einem eisernen Besen (den Besen unterstreichen) diesen ganzen ausländischen Schmutz aus unserem schönen Lande zu kehren.
    In der Hoffnung, daß meine bescheidene Hilfe Ihnen von Nutzen sein wird, zeichne ich mit ergebenster Hochachtung
    ein Freund der Genfer Justiz.«
    »Der Genfer Justiz…« sagte Natascha, drehte die Walze, um das eingespannte Papier so schnell wie möglich zu befreien, hielt plötzlich inne und blickte zur Türe. Diese öffnete sich langsam, ein roter Haarschopf leuchtete in der Spalte, dann erst war ein leises Klopfen zu hören.
    »Herein«, sagte Baranoff, er saß mit dem Rücken zur Tür, wandte sich nicht um, denn er dachte, es sei das Zimmermädchen, das das Frühstücksgeschirr holen wolle.
    O'Key trat ruhig an den Tisch, nahm den Brief auf und las ihn. Natascha hinderte ihn nicht daran, es schien ihr sogar recht zu sein, daß der Brief gelesen wurde.
    »Ich würde ihn nicht abschicken, an Ihrer Stelle,

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