Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tee der drei alten Damen

Der Tee der drei alten Damen

Titel: Der Tee der drei alten Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
Vom Netzwerk:
Diplomat, der hier die Interessen eines indischen Randstaates vertritt, irgend etwas gegen uns plante, und wir wußten nicht genau, was es war. Er hatte Besprechungen mit den Vertretern von Buchara und Turkestan, es ging gegen uns, das war alles, was wir wußten. Wir mußten irgendwie an Crawley herankommen. Nun gingen wir also zum Professor, ich wurde als Sekretärin vorgestellt.«
    Jakob gähnte. Die Blätter über seinem Kopf waren grün-durchscheinend, wie fein ausgewalzte Goldplättchen. »Muß ich soviel Politik lernen?« fragte er faul. »Es wäre doch viel schöner, hier zu liegen und an nichts zu denken. Aber du verlangst, daß ich mir den Kopf über deine rätselhaften Geschichten zerbreche. Denn ich sehe noch gar nicht ein, wie ich dir helfen soll. Kannst du nicht einfach sagen: tu dies, tu das. Oder willst du nicht lieber mit meinem Bruder, dem Advokaten, sprechen? Der weiß in solchen Dingen viel besser Bescheid.«
    »Das geht nicht. Manchmal wirst du alleine entscheiden müssen, und dann kann ich nicht immer hinter dir her sein, wie dein Kindermädchen.«
    »Natascha«, seufzte Jakob, »du wirst mich hoffnungslos kompromittieren. Mein Bruder Isaak ist ein guter Mann, aber wenn er erfährt, daß ich mich mit kommunistischen Agenten herumtreibe, wird er mich aus dem Haus jagen. Nun, das ist ja gleich. Du nimmst mich dann nach Rußland mit und wir heiraten. Vielleicht hast du mich dann bekehrt.«
    Aber Natascha lachte nicht. »Was willst du in Rußland machen? Alles, was du bis jetzt gelernt hast, wird dir gar nichts nützen. Auch die Sprache kennst du nicht. Vielleicht wäre es doch eine Rettung für dich. Du würdest wenigstens nicht hier in aller Bequemlichkeit verfaulen, ohne Ziel und Zweck.«
    Jakob schien aufzuwachen. »Ja, ein Ziel«, seufzte er, und seine Stirnhaut war dabei komisch gewellt. »Erzähl weiter, Natascha.«
    »Du bringst mich ganz durcheinander. Also, vor zwei Monaten, an einem Abend, haben wir beide den Professor besucht. Er empfing uns sehr freundlich, seine Haushälterin, diese Jane Pochon, brachte Tee und Rum und kleine Schokoladenkuchen, dann ging sie wieder hinaus und wir blieben allein. Übrigens, die Haushälterin kannten wir schon, wir hatten uns an einen ihrer Mieter herangemacht, einen gewissen Nydecker, und auf den waren wir auch durch den Apotheker gekommen.«
    Natascha schwieg wieder. Es schien Jakob fast, als enthalte dieses Schweigen ein wenig Verlegenheit, und er betrachtete seine Freundin erstaunt, weil er sie nie unsicher gesehen hatte. Sie fuhr fort:
    »Baranoff ging zuerst unter den erstaunten Blicken des Professors zur Tür, öffnete sie, um nachzusehen, ob niemand horche, und dann begann die Unterhaltung. Er kann sehr grausam sein, mein Mitarbeiter. Zuerst warf er dem Professor an den Kopf, daß er Morphium nehme, und daß er ihn ohne weiteres an der Universität unmöglich machen könne, wenn er diese Tatsache publik mache. Der Professor war ganz verstört und fragte, was er denn getan hätte, um so behandelt zu werden. Baranoff antwortete nicht und wartete, bis sich der Professor ein wenig beruhigt hatte. Dann kam der zweite Schlag. ›Sie haben Schulden‹, sagte Baranoff und zählte die Gläubiger auf. ›Wenn ich nun all diesen Leuten verrate, wieviel Sie im ganzen schuldig sind, so kommen Sie wegen Betrug ins Gefängnis.‹ Es nützte dem Professor nichts, zu erklären, er habe das Geld doch für wissenschaftliche Zwecke gebraucht, er selber sei doch bedürfnislos, er habe sein Geld verloren, weil er zu vertrauensvoll gewesen sei, bei einem Bankkrach. Baranoff sagte trocken: ›Gewiß, Sie werden nicht lange im Gefängnis bleiben, man wird Sie in eine Irrenanstalt verbringen und dann in ein Altersheim.‹ Der Professor erholte sich, er lächelte sogar. ›Ich weiß, was Sie jetzt denken, aber mit diesem Ausweg ist es auch nichts‹, fuhr Baranoff mitleidlos fort. ›Sie denken an Selbstmord. Aber das können Sie nicht. Sie sind religiös erzogen worden, Sie haben in Ihren Abhandlungen soviel schönes ethisches Zeug verzapft, daß Sie doch daran glauben müssen. Die letzte Hemmung werden Sie nicht überwinden können.‹ Da nickte der Professor traurig: ›Sie werden wohl recht haben‹, flüsterte er.«
    Jakobs Kinn hing ein wenig blöde herab, aber er lauschte mit einer qualvollen Aufmerksamkeit. Er fragte:
    »Und du bist dagesessen und hast kein Wort gesagt? Du hast zusehen können, wie man diesen alten Mann so gequält hat?«
    »Mein lieber Junge, ich

Weitere Kostenlose Bücher