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Der Tee der drei alten Damen

Der Tee der drei alten Damen

Titel: Der Tee der drei alten Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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gewesen, so hätten sie sich schon längst geduzt. Aber das Englische ist eine besondere Sprache. In ihr duzt man nur den lieben Gott. Und dieser läßt sich die Familiarität gerne gefallen.
    Madges Zimmer ging auf einen Garten. Kugelförmige Robinien standen darin, die noch nicht erwachsen waren. Aber die Vögel hatten dennoch von ihnen Besitz ergriffen und übten darin sehr fleißig und sehr ausdauernd schwierige A-capella-Chöre. In einer Ecke des Raumes lag Ronny, der Airdale, der die Eintretenden mit einem Trommelwirbel empfing, den er mit seinem Schwanzstummel auf dem Boden erzeugte. Er verschmähte es aufzustehen. Es war viel zu heiß.
    O'Key trank Tee und aß Toasts mit Orangenkonfitüre. Und plötzlich ergriff ihn das Bedürfnis, den ganzen Fall mit Madge zu besprechen. Es war dies ein neues Gefühl und durchaus nicht unangenehm. Bis jetzt hatte er immer allein gearbeitet, manchmal mit Kameraden, aber jeder hatte seine bestimmte Arbeit, man kam zusammen, um neue Schritte zu besprechen. Aber mit einer Frau eine neue Affäre zu besprechen, das war ihm bis jetzt noch nie vorgekommen. Schließlich, dachte er bei sich, im Grunde ist sie fast eine Kollegin, sie kann mir vielleicht Ratschläge geben.
    Die ganze Geschichte komme ihm vor, klagte O'Key, wie eine photographische Platte, die zwei- oder dreimal mit immer wieder verschiedenen Ansichten belichtet worden sei. Er saß in einem bequemen Rohrstuhl, hielt in der Rechten die Teetasse, in der linken einen Toast, von dem die zähe Konfitüre auf seine Hosen tröpfelte, trank und aß abwechselnd und sprach mit vollem Mund. Er redete zum Fenster hinaus, ohne Madge anzublicken.
    Er wolle versuchen, zusammenfassend zu berichten, das würde ihm helfen, nachher seinen Artikel zu schreiben. Wichtig scheine ihm vor allem, genau festzustellen, wo überall Crawley, der ermordete Sekretär, sich am fraglichen Abend herumgetrieben habe. Beim Professor sei er um acht Uhr gewesen, wie lange sei er beim Professor geblieben, ob Madge das vielleicht wisse? Als keine Antwort erfolgte, zuckte O'Key müde mit den Achseln und fuhr fort zu klönen. Offenbar sei er nicht länger als bis zehn oder höchstens elf Uhr in der Wohnung des Professors gewesen. Und dann sei er herumgestrolcht. Aber wo? Er habe sicher den Mann mit den weißen Tennishosen getroffen, übrigens habe er, O'Key, gestern von einem ziemlich anrüchigen Individuum erfahren, der Mann mit den weißen Tennishosen sei jetzt in Madges Behandlung. Was Madge zu dieser Tatsache zu bemerken habe, ob ihr nicht auch scheine, sie hätte ihm von dieser Tatsache Kenntnis geben sollen? He? Madges Schweigen war anhaltend. Er habe da seine eigene Meinung in bezug auf die merkwürdigen roten Höfe in der Ellbogenbeuge, die man bei Crawley sowohl, als auch bei Eltester festgestellt habe. Er glaube nicht, daß es sich da um Einstichstellen handle, um eine intravenöse Injektion, um genauer zu sein. Ob Madge nicht vielleicht auch bei ihrem Patienten solch ein merkwürdiges Zeichen festgestellt habe? Wieder keine Antwort. O'Key fluchte, weil er die Konfitürenflecken auf seiner grauen Hose endlich bemerkte; er rieb sie mit dem Taschentuch, aber machte die Sache dadurch noch ärger. Hilflos wandte er sich nach Madge um, die hochaufgerichtet, in ihren weißen Mantel gehüllt, neben der Türe stand.
    »Hören Sie, O'Key, wenn Sie sich benehmen wollen, wie mein früherer Freund, wie der Dr. Thévenoz, so werf ich Sie hinaus. Ich habe zur Trösterin augenblicklich kein Talent und mit unartigen Buben mache ich kurzen Prozeß. Sie waren faul, geben Sie es zu, Sie waren bequem, Sie haben die Sache leicht genommen, mit Ihrem Wissen geprunkt, aber Beweise, haben Sie Beweise? Sehen Sie«, und Madge trat mit zwei Schritten an den Tisch, »haben Sie das Buch schon einmal gelesen?«
    O'Key, vollständig ernüchtert, starrte auf das Titelblatt, das ihm in Augenhöhe präsentiert wurde. »Die Abenteuer des Arsène Lupin« stand in großen Buchstaben in einer Ecke und darunter blickte ein monokelbehafteter Herr sehr arrogant auf den Beschauer.
    »Gott«, sagte O'Key, »Kriminalromane! Stellen Sie einen Schriftsteller vor einen komplizierten Fall in der Wirklichkeit und er wird nicht wissen, wo er beginnen soll.«
    »Spotten Sie nicht über Kriminalromane!« sagte Madge streng, »sie sind heutzutage das einzige Mittel, vernünftige Ideen zu popularisieren. Und wissen Sie, wer Arsène Lupin zitiert? Niemand geringerer als Professor Locard, die Leuchte der

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