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Der Tee der drei alten Damen

Der Tee der drei alten Damen

Titel: Der Tee der drei alten Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Hand.
    »Ja«, sagte Madge, machte ihre Hand sanft los und fuhr über O'Keys drahtige Haare. »Und in der Auswahl müssen Sie mir helfen.«
    »Also schreiben Sie!« O'Keys Stimme wurde ein Flüstern, aber vielleicht wäre es gar nicht nötig gewesen, zu flüstern, denn Nydecker starrte noch immer mit jenem seltsamen Ausdruck zum Fenster hinaus und schien die Vorgänge im Zimmer keiner Aufmersamkeit zu würdigen.
    »Toilette«, schlug O'Key vor, »schreiben Sie: weiße Toilette. Nämlich jene auf der Place du Molard, in der unser Nydecker vom Polizisten Malan überrascht worden ist. Dann würde ich Professor nehmen. Dann stechen. Und zum Schluß probieren wir es mit alten Damen.«
    »Alten Damen«, wiederholte Madge. »Wir können den Versuch auch ein wenig ändern. Nydecker soll nicht nur ein Wort sagen, sondern hintereinander eine ganze Reihe, dann brauchen wir die lästige Zeitkontrolle nicht. Aber Sie müssen es ihm zuerst vormachen. Sie verstehen mich doch? Ich sage zum Beispiel Sonne. Auf Sonne fällt Ihnen doch allerlei ein: Regen, auf Regen Gras, auf Gras Heu, auf Heu Kühe, dann Milch. So daß Sie die Reihe Regen – Gras – Heu – Kuh – Milch bekommen.«
    »Ich verstehe«, sagte O'Key.
    Nydecker hatte dem Ende des geflüsterten Gespräches aufinerksam gelauscht. Er schien aus dem fremden Reich, in das er sich geflüchtet hatte (aus der Tagwelt vertrieben von einer dunklen Gewalt) eilig zurückgekehrt zu sein. Seine Augen hatten den Ausdruck gewechselt, ruhig und aufmerksam blickten sie bald auf die Frau, bald auf den Mann. Das Reich des Chaos verschwand in der Ferne, das Reich, in welchem sonderbare Gespenster umgingen, die sprachen, ohne daß man sie sah, die man sah, ohne daß sie redeten. Spielen sollte er jetzt, wie schön, dachte er, es war schön zu spielen, weil dann stets die gläserne Wand zersplitterte, die ihn sonst, er empfand es dunkel, von den Menschen trennte.
    »Wir wollen einen Wettkampf veranstalten zwischen Ihnen und meinem Freunde O'Key«, sagte Madge. »Ich werde ein Wort sagen und jeder von Ihnen wird, so schnell es ihm möglich ist, viele Worte dazu sagen, die ihm gerade einfallen. Wer am meisten Worte gesagt, hat gewonnen, verstehen Sie, Herr Nydecker?«
    »Oh«, sagte Nydecker, »ich habe viel Rekorde geschlagen, Weltrekord über tausend Meter Geistspritzen und Trionieren mit Waschpinsel in blauer Luft – ich kann viel.«
    »Ganz richtig«, sagte O'Key und übernahm ohne weiteres die Führung des Gespräches. »Jetzt werden Sie eben statt des Geistes Worte spritzen, eine ganze Reihe, immer eins hinter dem andern. Das zählt dann für den Rekord des Wörtertreibens, verstehen Sie?«
    »Gewiß, in der treibenden Wesperei der Fliegensumme.«
    »Gerade das wollte ich sagen.« O'Key streichelte die Hand des Männchens, die auf der Armlehne des Stuhles lag.
    »Also«, sagte Madge, »wir beginnen mit dem Herrn O'Key.«
    Sie nannte erst ein Wort, ließ O'Key sprechen, dann ein zweites.
    »Sehen Sie, Herr Nydecker, Herr O'Key hat zehn Worte gewußt, wieviel werden Sie wissen? Passen Sie auf. Weiße Toilette.«
    »Ooh – jaa – Bogenlampe – Straße – Haus – Park – Mappe – Mappe– Mappe…«
    Immer leiser wurden die Wiederholungen des Wortes Mappe.
    »Was ist mit der Mappe?« fragte O'Key sehr sanft und legte wieder seine Hand auf die Hand des kleinen Männchens.
    Nydecker war ganz Eifer.
    »Ja, die Mappe«, sprudelte er los, »nimm sie, sagt der Freund. Nimm die Mappe, mir ist schlecht Pit, bring sie Pit, sagt er, bring sie, du weißt schon, wem. Und dann geht der schlanke Freund, geht fort über die Stiege, Monsieur Pierre hat soo Angst. Und versteckt sich. Aber die Mappe – wohin die Mappe bringen? Verstecken die Mappe. Fliegen um die Bogenlampe. Mücken. Und der Park ist dunkel. Der Herr der Fliegen ist schlafen gegangen. Auch die Fliegen schlafen. Und der Park ist kühl. Das Wasser, das Wasser. Kleines Haus, darin sind die Berge. Und der Busch, Monsieur Pierre kennt gut den Busch. Mappe darunter, Erde darüber. Dort finden die Fliegen die Mappe nicht. Monsieur Pierre hat den Auftrag ausgeführt.«
    »Das ist ja durchaus verständlich«, sagte Madge. Und als sie O'Keys erstauntes Gesicht sah, lachte sie. »Wie sagt Arsène Lupin? Nur die Dummköpfe erraten. Ich errate nichts, ich kombiniere. Das Haus, das kleine Haus, darin die Berge sind, ist das nicht…, es kann gar nichts anderes sein als das Panorama im Jardin Anglais. Ein geduldiger Herr, der vor Jahren gelebt hat,

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