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Der Tee der drei alten Damen

Der Tee der drei alten Damen

Titel: Der Tee der drei alten Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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hat sich die Mühe gemacht, ein Relief der Alpen zu formen und es gegen Eintrittsgeld zu zeigen. Dort in der Nähe unter einem Busch hat also der kleine Nydecker die Mappe versteckt, die ihm Crawley anvertraut hatte. Sie hatten sich getroffen, Crawley wurde es schlecht, Nydecker begleitete ihn in die Toilette, dann lief Crawley fort und begann unter der Wirkung des Giftes sich auf der Place du Molard zu entkleiden. Soweit ganz klar. Und dann versteckte sich der verschüchterte Nydecker in einer Kabine, und als Malan ihn dort entdeckte, rannte ihm Nydecker den Kopf in die Magengrube und ging die Mappe beim Panorama verstecken. Dort müssen Sie suchen gehen, Cyrill.«
    »Panorama«, sagte Nydecker deutlich und ernst und nickte mit dem Kopf, wie eine Pagode.
    »Ich werde nachsehen gehen«, sagte O'Key. »Doch zuerst wollen wir den Versuch fortsetzen. Vielleicht erfahren wir noch etliches.«
    Aber es nützte nichts, vor Nydeckers Ohren das Wort »Professor« einige Male zu wiederholen. Der kleine Mann war wieder ins andere Reich entwischt. Wohl, sein Körper ruhte noch friedlich in dem bequemen Stuhl, aber Nydeckers Seele, falls dieses Wort erlaubt ist, machte Tauchversuche in Tiefen, die dem Assoziationsexperiment unerreichbar waren.
    Es war Ronny, der Hund, der die scheinbar hoffnungslose Situation rettete, der Nydeckers Seele aus den submarinen Gefilden wieder ans Tageslicht holte. Ronny hatte bis jetzt in einer Zimmerecke geschlafen, denn er wußte, daß die Meisterin ihn nicht brauchen konnte, wenn sie mit andern Zweibeinern sprach. Jetzt aber weckte ihn das andauernde Schweigen. Er hatte Zeit, darum hielt er das bei einem Hundeerwachen vorgeschriebene Ritual genau ein; und es setzt sich zusammen, dieses Ritual, wie folgt: Strecken des Körpers mit flach auf den Boden gelegten Vorderpfoten und erhobenem Hinterteil. Dazu ein zweimaliges Gähnen und die Zunge ringelte sich im weit aufgesperrten Maule wie bei einem Wappenleu. Ist diese Adagiobewegung vollendet, so kehren die vier Pfoten in die senkrechte Lage zurück, und furioso folgt ein Schütteln des ganzen Körpers, das je nach Länge und Tiefe des Schlafes mehr oder minder lang dauert. Erst nach diesen Zeremonien ist der Weg in die Außenwelt frei: die Augen erspähen bekannte Gestalten, und falls diese sympathisch sind, gerät das Hinterteil in begeistert-schlängelnde Bewegung, die mit einem langsamen Vorrücken zusammenfällt. Der Schwanzstummel wimpelt hin und her, die Vorderbeine beginnen die Luft zu Schaum zu schlagen, dann tritt Ruhe ein, die sitzenden Gestalten werden sanft mit der Schnauze angestoßen (man muß die Stummen aufmerksam machen, daß Ronny aufgewacht ist), und dann wird man wohl mit Tätscheln und mit der bekannten Lautfolge begrüßt: »Ja, ja, guter Hund.« Dazwischen kann man ein sanftes Knurren einschalten, es mit einem Niesen unterbrechen (dann lachen die Sitzenden gewöhnlich), und alles auf dieser Hundewelt ist in bester Ordnung.
    Heute aber hatte die Zeremonie der Begrüßung nicht die erhoffte Wirkung. Der Mann, der die Ronnysprache verstand, blickte abwesend ins Leere, die Meisterin hatte eine gerunzelte Stirn, das kam alles, dachte Ronny, von der fremden Gestalt, die im Lehnstuhl saß. Die interessierte scheinbar die beiden bekannten Verehrten mehr als Ronny. Eine unhaltbare Situation. Man mußte sich also mit dem Schweigenden im Lehnstuhl beschäftigen.
    Zuerst legte Ronny den Kopf prüfend auf die Seite, zwinkerte mit dem rechten Auge, während die Beine zu behaarten Säulchen erstarrten. Nydecker schenkte dem Hunde keine Aufmerksamkeit. Aber dessen primitives Gemüt war noch nicht mit psychiatrischer Terminologie vergiftet, er kannte Worte wie »katatoner Stupor« aus dem einfachen Grunde nicht, weil sie in der Hundesprache nicht vorkamen, was vielleicht doch als ein Vorzug der Hundesprache gewertet werden mag. Ronny dachte wohl etwas wie: ›Der Mann ist traurig, man muß ihn aufheitern.‹ Darum überließ er seine Glieder dem Tanze, und versuchte sich in verschiedenen Pas, vom vierfüßigen Getrappel, bis zur Menschenimitation auf zwei Pfoten. Von dieser letzten Art erhoffte er die einschneidendste Wirkung. Aber sie verpuffte. Nach ein paar ganz kunstvollen Evolutionen setzte er daher ab, legte wieder den Kopf auf die Seite und betrachtete den Sitzenden mißbilligend. Sein rechtes Ohr stand senkrecht auf, das linke hing traurig abwärts. Plötzlich nickte Ronny, ihm schien etwas eingefallen zu sein, noch einmal stellte er

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