Der Tempel der Ewigkeit
wollte Luxor zum Kleinod deiner Herrschaft machen.»
«Dachtest du, ein einziges Meisterwerk würde mir genügen? Steh auf, Bakhen!»
Ramses’ ehemaliger Ausbilder beim Heer hatte nichts von seiner Robustheit verloren. Immer noch glich er mehr einem Athleten als einem enthaltsamen Priester.
«Du hast Glück gehabt, Bakhen, und ich weiß Männer zu schätzen, denen das Schicksal hold ist. Besteht die Magie eines Menschen nicht darin, daß er Verhängnisse von sich abzulenken vermag?»
«Wenn du nicht eingegriffen hättest…»
«Also bist du imstande, zu bewirken, daß der Pharao erscheint! Wirklich eine schöne Leistung, die es verdiente, in die Annalen einzugehen.»
Bakhen befürchtete, Ramses würde nach diesen spöttischen Worten eine entsetzliche Strafe über ihn verhängen, doch der durchdringende Blick des Herrschers wandte sich von ihm ab und richtete sich auf den Lastkahn. Das Entladen ging reibungslos vonstatten.
«Dieser Obelisk ist prächtig. Wann ist der zweite fertig?»
«Ich hoffe, in etwa drei Monaten.»
«Die Hieroglyphenschneider sollen sich beeilen.»
«In den Steinbrüchen Assuans herrscht schon sehr große Hitze.»
«Was bist du, Bakhen, ein Aufseher über diese Baustätten oder ein Jammerlappen? Begib dich an Ort und Stelle und sorge dafür, daß die Arbeit zügig vollendet wird! Wie steht es um die Kolossalstatuen?»
«Die Steinhauer haben am Gebel Silsileh einen herrlichen Sandstein ausgewählt.»
«Auch sie sollen sich ohne Säumen ans Werk machen. Entsende noch heute einen Boten, der sie zur Eile mahnt, und dann fahre selbst hin, um dich zu vergewissern, daß die Bildhauer keine Stunde Zeit verlieren. Warum ist der große Hof noch nicht fertig?»
«Es ist unmöglich, schneller voranzukommen, Majestät.»
«Du irrst, Bakhen. Um ein Heiligtum des Ka zu errichten, einen Hort der Ruhe für die Macht, die das Weltall stets aufs neue erschafft, darf man sich nicht wie ein bescheidener Vorarbeiter benehmen, der lange überlegt, welchen Schritt er als nächsten tun soll, und der sich vor den Baustoffen scheut. Das Feuer des Blitzes muß deine Gedanken auf den Stein übertragen und den Tempel erstehen lassen. Du hast dich als langsam und faul erwiesen, das ist dein wahrer Fehler.»
Bakhen war so verblüfft, daß er kein Wort des Widerspruchs über die Lippen brachte.
«Sobald der Tempel von Luxor vollendet ist, wird er Ka spenden, jene Kraft, deren ich dringend bedarf. Hole die besten Handwerker zusammen.»
«Einige sind mit deinem Haus für die Ewigkeit im Tal der Könige beschäftigt.»
«Lasse sie hierher kommen, meine Grabstätte kann warten. Und du wirst dich noch um einen weiteren Bau kümmern, der dringend ist: um meinen Tempel der Millionen Jahre am Westufer. Er wird das Königreich vor Unheil bewahren.»
«Willst du…»
«Ich will ein kolossales Bauwerk, ein Heiligtum, das so mächtig ist, daß es jeder Feindseligkeit zu trotzen vermag. Morgen werden wir seinen Grundstein legen.»
«Solange Luxor noch eine Baustätte ist, Majestät…»
«Es gibt auch noch Pi-Ramses, eine ganze Stadt, die sich im Bau befindet. Rufe die Bildhauer aus allen Provinzen zusammen und behalte nur jene, deren Hände besonders begabt sind.»
«Majestät, die Tage lassen sich nicht dehnen!»
«Wenn es dir an Zeit mangelt, Bakhen, dann erschaffe sie.»
SIEBENUNDVIERZIG
DOKI TRAF DEN Bildhauer in einer Schenke von Theben, die sie beide nie zuvor betreten hatten. Sie setzten sich in die dunkelste Ecke, in die Nähe libyscher Arbeiter, die sich lautstark unterhielten.
«Ich habe deine Botschaft erhalten, und hier bin ich. Weshalb diese Geheimniskrämerei?»
Mit einer Perücke, die ihm die Ohren verdeckte und tief in die Stirn reichte, war Doki nicht zu erkennen.
«Hast du mit irgend jemandem über meinen Brief gesprochen?»
«Nein.»
«Auch nicht mit deiner Frau?»
«Ich bin Junggeselle.»
«Und mit deiner Geliebten?»
«Die sehe ich erst morgen abend.»
«Gib mir diesen Brief wieder.»
Der Bildhauer überreichte Doki die Papyrusrolle, und der Priester zerriß sie in tausend Stücke.
«Falls wir kein Einvernehmen erzielen», erklärte er, «soll es wenigstens keine Spuren von unserer Begegnung geben. Dann habe ich dir nie geschrieben, und wir haben uns nie getroffen.»
Der Bildhauer, ein breitschultriger, untersetzter Mann, wurde nicht schlau aus diesen Spitzfindigkeiten.
«Ich habe bereits für Karnak gearbeitet und noch keinen Anlaß zur Klage gehabt, aber noch nie
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