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Der Tempel der Ewigkeit

Der Tempel der Ewigkeit

Titel: Der Tempel der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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und die Formeln sprechen, die den Eintritt ins Jenseits und die Wiedergeburt in der Welt der Götter begleiteten. An den Wänden des Hauses für die Ewigkeit standen die Totensprüche, die Leben spenden und für alle Zeit fortwirken würden.
    Die Einbalsamierer hatten ganze Arbeit geleistet. Sethos’ Antlitz strahlte vollkommene Heiterkeit aus, wie das eines Menschen, der seine Erfüllung gefunden hat. Man hätte schwören können, im nächsten Moment würde er die Augen aufschlagen und zu sprechen beginnen… Die Priester legten den Deckel auf den Sarkophag, der in der Mitte des «Goldsaales» stand, in dem Isis ihr Werk der Verwandlung vollenden und dem Toten die Unsterblichkeit verleihen würde.
    «Sethos war ein gerechter König», murmelte Ramses, «er hat die Gesetze der Maat geachtet, er wurde vom Licht geliebt, und er tritt lebend in die Welt der Finsternis ein.»
    In ganz Ägypten arbeiteten die Barbiere ohne Unterlaß und nahmen den Männern die Barte ab, denn die Zeit der Trauer war zu Ende. Die einfachen Frauen flochten ihr Haar wieder, während die vornehmen es den Händen derer anvertrauten, die zur Pflege der Haartracht befugt waren.
    Um sich zu sammeln, suchten Ramses und Nefertari am Vorabend der Krönung den Tempel von Kurna auf, in dem fortan jeden Tag dem Ka des in die Ewigkeit eingegangenen Pharaos gehuldigt werden sollte, damit er am Leben bliebe. Dann begab sich das Paar in den Tempel von Karnak, wo es streng nach dem vorgeschriebenen Zeremoniell, jedoch ohne erkennbare Begeisterung vom Oberpriester empfangen wurde. Nach einem bescheidenen Mahl zogen sich der Regent und seine Gemahlin in den Palast innerhalb des irdischen Wohnsitzes des Gottes Amun zurück. Vor einem Thronsockel, dem Sinnbild des zu Anbeginn der Zeit aus dem Urmeer gestiegenen Hügels, hielten sie innere Einkehr. Und hier gelobten sie, sich die Gesetze der Maat, der zeitlosen Regel, «die aufrecht ist und den rechten Weg weist», zu eigen zu machen, um sie an das ägyptische Volk weitergeben zu können.
    Ramses hatte das Gefühl, der Geist seines Vaters sei ihm nahe und stehe ihm bei in diesen beklemmenden Stunden vor dem Augenblick, der sein Dasein endgültig verändern würde. Der künftige König durfte nicht mehr tun und lassen, was ihm beliebte, sondern mußte sein Sinnen und Trachten allein auf das Wohl seines Volkes und das Gedeihen seines Landes richten.
    Diese Aufgabe erfüllte ihn von neuem mit Furcht.
    Er wäre gern aus dem Palast geflohen und zu seiner entschwundenen Jugend zurückgeeilt, zu Iset, der Schönen, zu Vergnügen und Sorglosigkeit. Doch Sethos hatte ihn zu seinem Nachfolger erkoren, und er war Nefertaris Gemahl. Deshalb mußte er seine Angst überwinden, diese letzte Nacht vor der Krönung durchstehen.
    Die Dunkelheit verblaßte, und der Morgen begann zu dämmern. Er verkündete die Wiedergeburt der Sonne, die das Ungeheuer der Unterwelt besiegt hatte. Da betraten zwei Priester Ramses’ Gemach. Einer von ihnen trug die Maske eines Falken und der andere die eines Ibis, denn sie verkörperten den Gott Horus, den Beschützer des Königtums, und den Gott Thot, den Herrscher über die Hieroglyphen und die heilige Wissenschaft. Mit dem Inhalt zweier langgestreckter Gefäße besprengten sie den nackten Körper des Regenten, um ihn von allem Menschlichen zu reinigen. Dann rieben sie ihn wie einen Gott von Kopf bis Fuß mit den neun Salben ein, die ihm die Quellen der Kraft erschließen und die für andere Menschen unerreichbare Erkenntnis der Wahrheit verleihen sollten.
    Auch sein Festgewand zeugte davon, daß ihm kein anderer gleichkam. Die zwei Priester legten Ramses den golddurchwirkten weißen Schurz um, dessen Form sich seit den Anfängen des Pharaonenreichs nicht verändert hatte, und befestigten an seinem Gürtel einen Stierschwanz, das Symbol für die Stärke des Königs. Dem jungen Mann fiel wieder die furchterregende Begegnung mit dem wilden Stier ein, zu der sein Vater ihn gezwungen hatte, als er seinen Mut auf die Probe stellen wollte. Von nun an war er der Inbegriff dieser Stärke, die er mit Bedacht einsetzen mußte.
    Danach schmückten die Gottesdiener Ramses’ Hals mit einer breiten Kette aus sieben Reihen farbiger Perlen, streiften ihm Kupferreife über Oberarme und Handgelenke und zogen ihm weiße Sandalen an. Schließlich überreichten sie ihm noch die weiße Keule, mit der er seine Feinde erschlagen und die Finsternis erhellen sollte, und wanden ihm das goldene Band sia um die Stirn,

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