Der Tempel der Ewigkeit
schwinden damit die Bedenken gegen ihn?»
«Wer bist du wirklich, Raia?»
«Ein Mann, der an deine Zukunft glaubt und dich auf dem Thron Ägyptens sehen möchte.»
«Was weißt du von meinen Absichten?»
«Hast du nicht den Wunsch geäußert, mehr Handel mit den Fremdländern zu treiben, den Hochmut Ägyptens einzudämmen und bessere wirtschaftliche Beziehungen zum mächtigsten Volk im Osten deines Landes zu knüpfen?»
«Du meinst - zu den Hethitern?»
«Wir verstehen einander.»
«Also bist du ein Spion in ihren Diensten… Wären die Hethiter mir etwa wohlgesinnt?»
Raia nickte.
«Und was schlägst du mir vor?» fragte Chenar so erregt wie vom Anblick einer erlesenen Vase.
«Ramses ist hitzköpfig, ein Krieger. Wie sein Vater möchte er die Größe und Überlegenheit Ägyptens stärken. Du bist ein Mann der Mäßigung, mit dem man Abkommen schließen kann.»
«Ich setze mein Leben aufs Spiel, Raia, wenn ich Ägypten verrate.»
Chenar fiel das berühmte Todesurteil ein, das gegen die Gemahlin Tut-ench-Amuns verhängt worden war, weil man sie einer geheimen Verbindung zum Feind beschuldigte.
«Ist es nicht unausweichlich, Wagnisse einzugehen, um das höchste Amt zu erlangen?»
Chenar schloß die Augen.
Die Hethiter… Ja, er hatte schon oft überlegt, ob er sich nicht ihrer bedienen könnte, um Ramses zu bezwingen, doch das war nur ein Einfall gewesen, den er nicht ernst genommen hatte, eine Vision fernab aller Wirklichkeit. Und plötzlich wurde sie in der Gestalt dieses unbedeutenden, scheinbar so harmlosen Händlers greifbar.
«Ich liebe mein Land…»
«Wer zieht das in Zweifel, Prinz? Aber die Macht liebst du noch mehr. Und die sichert dir nur ein Bündnis mit den Hethitern.»
«Ich muß darüber nachdenken.»
«Diesen Luxus kann ich dir nicht gewähren.»
«Möchtest du sofort eine Antwort?»
«Zu meinem eigenen Schutz. Ich habe mich dir offenbart, weil ich dir vertraue.»
«Und wenn ich ablehne?»
Raia antwortete nicht, doch sein Blick wurde starr und unergründlich.
Chenars innerer Kampf dauerte nicht lange. Bot ihm das Schicksal da nicht einen gewichtigen Verbündeten an? Nun war es an ihm, Herr der Lage zu bleiben, die Gefahr richtig einzuschätzen und aus einem wohldurchdachten Plan Nutzen zu ziehen, ohne Ägypten in Gefahr zu bringen. Selbstverständlich würde er sich Acha weiterhin gefügig halten und ihn von seinen Beziehungen zum Erzfeind der Beiden Länder nicht in Kenntnis setzen.
«Ich nehme deinen Vorschlag an, Raia.»
Ein Lächeln huschte über die Züge des Händlers.
«Du wirst deinem Ruf gerecht, Prinz. Wir sehen uns bald wieder.
Da ich dir fortan kostbare Vasen beschaffe, wird sich niemand über meine Besuche wundern. Behalte diese, ich bitte dich. Sie besiegelt unseren Pakt.»
Chenar betastete das prachtvolle Gefäß. Die Zukunft wurde heller.
ZWÖLF
RAMSES ERINNERTE SICH noch an jeden Felsblock im Tal der Könige, dieser völlig ausgedörrten «großen Weide», zu der sein Vater ihm den Zutritt gewährt hatte, als er ihn in das Grab des ersten Ramses führte. Der Begründer der Dynastie, ein schon bejahrter Wesir, war von einem Rat der Weisen zum Pharao ernannt und damit zum Stammvater eines neuen Herrschergeschlechts erkoren worden. Nach nur zwei Jahren Regentschaft hatte er Sethos die Macht anvertraut, auf daß er sie erstrahlen lasse, eine Macht, die an diesem Tag ihm, Ramses II. übertragen wurde.
Unbeirrt von der quälenden Hitze, bei der manchen Trägern des Grabmobiliars die Kräfte schwanden, schritt Sethos’ jüngerer Sohn mit schwerem Herzen dem Trauerzug voran und geleitete die Mumie des verstorbenen Königs zu ihrer letzten Ruhestätte.
Für einen Augenblick begann Ramses dieses verfluchte Tal zu hassen, das ihn seines Vaters beraubte und zur Einsamkeit verdammte. Doch dann bemächtigte sich seiner Seele von neuem die Magie dieses Ortes, die Leben verhieß und nicht Tod.
Aus der steinernen Ruhe sprach die Stimme der Ahnen. Sie kündete von Licht, von Verklärung und Auferstehung, sie heischte Verehrung und Achtung vor den Gefilden des Himmels, denen jegliches Leben entsprang.
Ramses betrat als erster Sethos’ riesiges Grab, das längste und tiefste im ganzen Tal. Er würde eine Verfügung erlassen, daß fortan kein anderer ein größeres Grab bauen durfte, damit Sethos in den Augen der Nachwelt unerreicht blieb.
Zwölf Priester trugen die Mumie. Ramses, mit einem Pantherfell bekleidet, mußte als Nachfolger das Ritual vollziehen
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