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Der Tempel der Ewigkeit

Der Tempel der Ewigkeit

Titel: Der Tempel der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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Falke herbei und kreiste mit weit ausgebreiteten Schwingen über dem Königspaar, als habe er eine Beute erspäht. Und plötzlich stieß er mit solcher Schnelligkeit herab, daß kein Bogenschütze Zeit gehabt hätte, seinen Pfeil auch nur anzulegen.
    Ein Aufschrei des Entsetzens stieg aus der Menge empor, als sich der Raubvogel auf dem Nacken des Pharaos niederließ und in seinen Schultern festkrallte.
    Sethos’ Sohn verharrte in Reglosigkeit, indes Nefertari noch immer keinen Blick von ihm wandte.
    Eine ganze Weile bestaunten die verblüfften Höflinge dieses Wunder und sahen zu, wie der Falkengott Horus, der Beschützer des Königtums, eins wurde mit dem Mann, den er dazu erwählt hatte,über Ägypten zu herrschen.
    Dann erhob sich der Vogel und flog mit kraftvollem, unbekümmertem Flügelschlag wieder der Sonne entgegen.
    Aus vielen Kehlen erscholl lauter Jubel, und man pries diesen siebenundzwanzigsten Tag des dritten Sommermonats, an dem Ramses den Thron bestiegen hatte.
     

DREIZEHN
     
     
    GLEICH NACH DEM Ende der Feierlichkeiten wurde Ramses vom Strudel der Ereignisse erfaßt.
    Der Vorsteher des Großen Hauses führte ihn durch den Palast von Theben, der aus einem für Besucher zugänglichen Teil und privaten Gemächern bestand. An diesem Tag sah Ramses zum erstenmal den säulengeschmückten Empfangssaal, dessen Fußboden und Wände Darstellungen von Lotosblumen, Schilfrohr und Papyrusstauden sowie von Fischen und Vögeln zierten. Dann besichtigte er die Amtsstuben der Schreiber, die kleinen Audienzsäle und den Balkon mit dem von einer geflügelten Sonnenscheibe überragten Erscheinungsfenster, an dem er sich künftig dem Volk zeigen mußte. Nach dem Speisesaal, in dessen Mitte ein stets mit frischem Obst und Blumen geschmückter Tisch stand, wurde er in das Schlafgemach geführt, wo sich auf dem Bett bunte Kissen türmten, und schließlich noch in das mit Fliesen ausgelegte Badezimmer.
    Wieder in den Empfangssaal zurückgekehrt, hatte der junge Pharao kaum auf dem Thron der Beiden Länder Platz genommen, als ihm der Vorsteher des Palastes die bedeutendsten Männer vorstellte, die dem Großen Haus angehörten: die Bewahrer der geheimen Riten, die Schreiber aus dem Haus des Lebens, die Ärzte, den Aufseher über die privaten Gemächer, den Obersten der Schreiber der königlichen Briefschaften, die Vorsteher des Schatzhauses, der Speicher, der Viehherden und viele andere, die alle begierig darauf waren, dem neuen Pharao ihre Aufwartung zu machen und ihn ihrer unwandelbaren Ergebenheit zu versichern.
    «Und hier ist der…»
    Ramses erhob sich.
    «Ich gebiete diesem Aufmarsch Einhalt.»
    Der Vorsteher war empört.
    «Majestät, das ist nicht möglich. So viele wichtige Männer…»
    «Wichtiger als ich?»
    «Vergib mir, ich wollte nicht…»
    «Führ mich in die Küchen.»
    «Das ist nicht der richtige Ort für Majestät.»
    «Solltest du besser als ich wissen, wo ich mich aufzuhalten habe?»
    «Vergib mir, ich…»
    «Bringst du deine Zeit damit zu, nach Entschuldigungen zu suchen? Sag mir lieber, weshalb der Wesir und der Oberpriester des Amun nicht vor mir erschienen sind, um mir zu huldigen.»
    «Das weiß ich nicht, Majestät. Wie könnte ich mir anmaßen, darüber zu befinden?»
    «Gehen wir in die Küchen!»
    Schlachter, Fleischpökler, Gemüseschäler, Brot- und Kuchenbäcker, Bierbrauer… Das war das Reich von Romet. Er herrschte über ein ganzes Heer sachkundiger Leute, die alle eifersüchtig auf ihre Sonderrechte bedacht waren und peinlich genau ihre Arbeitsstunden und ihre freien Tage einhielten. Der wohlbeleibte, leutselige und in seinen Bewegungen sehr gemächliche Romet kümmerte sich weder um sein dreifaches Kinn noch um seine übermäßige Körperfülle. Die würde er bekämpfen, sobald er sich zur Ruhe gesetzt hatte. Zunächst lag ihm nur daran, daß er seine Truppe mit starker Hand führte, einwandfreie und wohlschmeckende Gerichte zubereitete und das unter Sachkundigen unvermeidliche Gezänk zum Verstummen brachte. Er achtete gewissenhaft auf Sauberkeit in den Rüchen sowie darauf, daß die Zutaten für seine Speisen, die er alle selbst kostete, auch frisch waren. Ob der Pharao und seine Höflinge in Theben weilten oder nicht, war ihm einerlei, er forderte stets Vollkommenheit.
    Als der Vorsteher des Palastes eintrat und mit ihm ein junger Mann, der auffallend kräftige Muskeln hatte und mit einem schlichten, leuchtendweißen Schurz bekleidet war, stellte Romet sich auf endlosen Verdruß

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