Der Tempel der Ewigkeit
ich nicht. Doch weder sie noch du, noch die Götter können mich jemals davon abbringen, dich zu lieben, welchen Platz auch immer du mir zuweisen magst. Warum sollte eine zweite Gemahlin kein Recht darauf haben, glücklich zu sein, wenn sie sich mit kurzen Augenblicken zu bescheiden weiß? Dich zu sehen, mit dir zu sprechen, hin und wieder an deinem Leben teilzuhaben, das sind kostbare Freuden, die ich gegen nichts anderes eintauschen würde.»
«Und wofür entscheidest du dich?»
«Ich reise nach Memphis ab, in deinem Gefolge.»
An die vierzig Boote verließen Theben unter dem lauten Jubel einer vielköpfigen Menschenmenge, die Ramses und Nefertari überaus zugetan war. Die Nachfolge des Oberpriesters von Karnak war ohne Zwistigkeiten geregelt worden, der Vorsteher der Hauptstadt des Südens hatte sein Amt behalten, der Wesir ebenfalls, der Hof hatte prunkvolle Festmähler veranstaltet, und das Volk freute sich über das kräftige Anschwellen des Nils, das den Wohlstand des Landes sichern würde.
Romet gönnte sich eine kleine Verschnaufpause. An Bord des königlichen Schiffes trübte nichts die Eintracht, wenn er davon absah, daß dieser hünenhafte Sarde ihn unausgesetzt bespitzelte.
Hatte der nicht sogar darauf bestanden, alle Kabinen und jedes Mitglied der Mannschaft zu durchsuchen? Eines Tages würde es mit diesem Fremdländer ein schlimmes Ende nehmen, und dann weinte ihm gewiß keiner nach. Sein Mangel an Ehrerbietung gegenüber Würdenträgern von höchstem Rang hatte ihm bereits erbitterte Feindschaften eingetragen, und nur der Rückhalt, den er beim König fand, bewahrte ihm seine Stellung. Aber würde der von Dauer sein?
Von Zweifeln befallen, überprüfte Romet zum zehnten Mal den einwandfreien Zustand der Schlafstätte des Herrschers und der Sessel, vergewisserte sich der Vorzüglichkeit der Speisen, die zum Mittagsmahl gereicht werden sollten, und brachte schließlich dem Löwen und dem Hund, die an Deck, vor der Sonne geschützt, unter einem Baldachin lagen, einen Schlauch Wasser.
An einem Fenster der geräumigen Kajüte Nefertaris stand Ramses und sah ihm belustigt zu.
«Endlich einmal einer, der mehr an seine Pflichten als an seine Vorrechte denkt. Eine überraschend glückliche Fügung, findest du nicht?»
Ein Anflug von Müdigkeit verschleierte Nefertaris strahlendes Antlitz. Ramses setzte sich zu ihr aufs Bett und drückte sie an sich.
«Serramanna scheint nicht deiner Meinung zu sein. Zwischen ihm und Romet keimt eine gewisse Feindseligkeit auf.»
Der König war überrascht.
«Welchen Grund hat das?»
«Serramanna ist argwöhnisch, immer auf der Hut.»
«Irgendeinen Verdacht gegen Romet zu hegen ist unsinnig.»
«Ich hoffe es.»
«Zweifelst du etwa auch an seiner Ergebenheit?»
«Wir kennen ihn noch nicht sehr gut.»
«Ich habe ihm die Stellung geboten, die er sich erträumt hatte.»
«Das wird er vergessen.»
«Du betrachtest die Dinge heute von ihrer düsteren Seite.»
«Ich wünsche mir, daß Romet mich eines Besseren belehrt.»
«Ist dir etwas Bestimmtes aufgefallen?»
«Nur Serramannas Feindseligkeit.»
Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter.
«Dir gegenüber vermag keiner gleichgültig zu bleiben, Ramses. Entweder man steht dir zur Seite, oder man verabscheut dich. Deine Macht fordert die Menschen dazu heraus, ihr vorzuwerfen, daß es sie überhaupt gibt.»
Der König legte sich auf den Rücken, und Nefertari schmiegte sich an ihn.
«Besaß mein Vater nicht mehr Macht als ich?»
«Ihr seid einander ähnlich und doch verschieden. Sethos verschaffte sich Gehorsam, ohne daß er ein einziges Wort zu sagen brauchte. Seine Kraft entfaltete sich im verborgenen. Du bist Feuer und Sturzbach in einem, und du schlägst einen Weg ein, ohne dir Gedanken über die Anstrengungen zu machen, die es dabei aufzubieten gilt.»
«Ich habe einen Plan, Nefertari, einen gewaltigen Plan.»
«Nur einen?»
«Der ist wahrhaft gewaltig. Ich trage ihn seit der Krönung in mir. Er erscheint mir wie eine Herausforderung, der ich mich nicht zu entziehen vermag. Wenn ich mein Ziel erreiche, wird sich das Antlitz Ägyptens von Grund auf verändern.»
Nefertari strich ihrem Gemahl liebevoll über die Stirn.
«Hat dieser Plan schon Gestalt angenommen, oder ist er vorerst nur ein Traum?»
«Ich fühle mich imstande, den Traum zu verwirklichen, aber ich warte noch auf ein Zeichen.»
«Weshalb dieses Zögern?»
«Weil erst der Himmel zustimmen muß. Niemand darf das mit den Göttern
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