Der Tempel der Ewigkeit
einem Herrscher wie dir schuldet man Achtung. Schon der erste Blick verrät, daß du nicht mehr der schwärmerische Jüngling bist, dem ich erst vor kurzem ins Gewissen geredet habe. Ob meine Worte wohl auch noch die Ohren des Pharaos erreichen?»
«Ich freue mich, dich bei guter Gesundheit anzutreffen. Bist du mit den Umständen deines Daseins zufrieden?»
«Ich habe die Dienerin gezähmt, der Gärtner ist schweigsam, der Koch versteht sich auf sein Handwerk, und der Schreiber, dem ich meine Verse diktiere, gibt vor, daß sie ihm gefallen. Was begehrt man mehr?»
Hektor, die schwarzweiße Katze, sprang auf den Schoß des Poeten und schnurrte.
Wie es seinen Gepflogenheiten entsprach, hatte Homer sich den Körper mit Olivenöl eingerieben. Seines Erachtens gab es kein Mittel, das der Gesundheit zuträglicher gewesen wäre und besseren Wohlgeruch verströmt hätte.
«Bist du gut vorangekommen?»
«Ich bin nicht unzufrieden mit den Worten, die Zeus an die Götter richtet: Hängt eine goldene Kette oben herab von dem Himmel, fasset alle daran, ihr Götter und Göttinnen alle… Sobald es mir im Ernste gefiele zu ziehen, zög ich euch selbst mit der Erde empor und selbst mit dem Meere. Und ich würde die Kette sodann um das Horn des Olympos binden, und alles hinge dann wiederum in der Schwebe.»
«Mit anderen Worten, meine Herrschaft ist noch nicht gefestigt, und mein Königreich schwankt im Spiel der Winde.»
«Wie sollte ich in meiner Zurückgezogenheit Kenntnis von dem erlangen, was sich zuträgt?»
«Enthüllen dir deine Eingebungen und das Geschwätz der Bediensteten nicht die wesentlichen Ereignisse?»
«Das ist schon möglich… Unbeweglichkeit beschert einem nicht nur Nachteile. Dennoch erfreut mich deine Rückkehr nach Memphis.»
«Ich hatte eine heikle Aufgabe zu lösen.»
«Die Ernennung eines neuen Oberpriesters von Karnak, der dich nicht hintergeht, kaum daß er sein Amt angetreten hat, ich weiß… Eine zügig und recht klug durchgeführte Maßnahme. Die Wahl eines Greises ohne eigennützige Ziele zeugt von politischem Geschick, wie es einem jungen Herrscher nur selten zu eigen ist.»
«Ich schätze diesen Mann sehr.»
«Warum auch nicht? Das Entscheidende ist, daß er dir gehorcht.» «Würden der Norden und der Süden einander zerfleischen, wäre Ägypten dem Untergang geweiht.»
«Ein sonderbares Land, aber es zieht mich in seinen Bann. Schon lasse ich mich dazu verleiten, mich euren Sitten so weit anzupassen, daß ich sogar meinem bevorzugten Wem untreu werde.» «Achtest du auch auf deine Gesundheit?»
«Dieses Ägypten ist voll von Ärzten! An meinem Lager haben sich ein Zahnheilkundler, ein Augenheiler und ein Arzt der allgemeinen Heilkunde abgelöst. Sie haben mir so viele Arzneien verordnet, daß ich lieber gar keine einnehme. Aber nichts gegen die Tropfen, die mein Sehvermögen doch ein wenig verbessern… Hätte ich sie bereits in Griechenland gehabt, wäre mir mein Augenlicht vielleicht erhalten geblieben. Ich werde übrigens nicht dahin zurückkehren… Da sind mir zu viele Verschwörungen, zuviel Zwistigkeiten, zu viele Anführer und Scheinkönige, die sich in Machtkämpfe verstricken. Zum Schreiben bedarf ich der Ruhe und Behaglichkeit. Streng dich an, Majestät, den Ruhm und das Ansehen deines Reichs zu mehren!»
«Dieses Werk hat bereits mein Vater begonnen.» «Höre dir diese Verse an, die ich geschrieben habe: Komm und setze dich her auf den Thron, wir wollen die Schmerzen ruhen lassen in unserem Mut, sosehr wir betrübt sind, denn wir richten nichts aus mit unserer schaurigen Klage. Zugesponnen haben die Götter den elenden Menschen, immer in Sorge zu leben, sie selber aber sind sorglos. Dem Schicksal, das alle trifft, entrinnst auch du nicht, aber dennoch erhebt dich dein Amt über die gramgebeugte Menschheit. Ist es nicht dem Pharao und dem seit so vielen Jahrhunderten bestehenden Königtum zu danken, daß dein Volk an das Glück glaubt, es begierig genießt und zu hegen vermag?»
«Du beginnst das Geheimnis Ägyptens zu ergründen.» «Beweine deinen Vater nicht und trachte nicht danach, ihn nachzuahmen. Werde, wie er, ein unersetzlicher König!»
Ramses und Nefertari hatten in allen Tempeln von Memphis die Rituale vollzogen und dem Oberpriester gehuldigt, dem es oblag, die Arbeit der Handwerker und Künstler, unter denen sich überaus begabte Bildhauer befanden, miteinander in Einklang zu bringen.
Schließlich nahte der gefürchtete Augenblick: Sie sollten Modell
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