Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tempel der Ewigkeit

Der Tempel der Ewigkeit

Titel: Der Tempel der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
Vom Netzwerk:
geschlossene Bündnis brechen.»
    «Möchtest du dieses Geheimnis noch für dich behalten?»
    «Faßte ich es in Worte, würde ich ihm bereits eine Gestalt verleihen. Doch du bist die große königliche Gemahlin, und dir darf nichts in meiner Seele unbekannt bleiben.»
    Ramses vertraute sich ihr an, und Nefertari hörte ihm zu.
    Gewaltig… Ja, der Plan des Pharaos war gewaltig.
    «Du hast recht, wenn du erst auf ein Zeichen aus dem Jenseits wartest», sagte sie schließlich. «Und ich werde an deiner Seite seiner harren.»
    «Wenn es nicht kommt…»
    «Es wird kommen. Wir müssen es nur zu deuten wissen.»
    Ramses richtete sich auf und betrachtete Nefertari, deren Beiname, «die Schönste der Schönen», in aller Munde war. Glich sie nicht dem in Liebesgedichten gepriesenen Wunschbild von einer Frau, deren weicher, glatter Körper so unergründlich war wie die himmlischen Wasser?
    Behutsam preßte der König ein Ohr auf den Leib seiner Gemahlin.
    «Spürst du unser Kind wachsen?»
    «Es wird das Licht der Welt erblicken, ich verspreche es dir.»
    Ein über Nefertaris Schulter gerutschter Träger ihres Kleides enthüllte den Ansatz einer Brust. Ramses zerbiß das feine Gewebe und entblößte ihren bewundernswerten Busen. Seine Augen schimmerten so feucht wie der himmlische Nil. In ihnen spiegelte sich die Tiefe des Verlangens, der Zauber zweier Körper, die sich in grenzenloser Liebe vereinten.
     

ZWEIUNDDREISSIG
     
     
    ZUM ERSTENMAL SEIT der Krönung betrat Ramses in Memphis das Gemach, in dem sein Vater gearbeitet hatte: kein Zierat, nur weiße Wände, drei schmale Fenster aus steinernem Gitterwerk, ein großer Tisch, ein Sessel mit gerader Rückenlehne für den König und Stühle mit einer Sitzfläche aus Strohgeflecht für die Besucher sowie eine Truhe zum Aufbewahren der Papyri.
    Eine heftige Gemütsbewegung schnürte ihm die Kehle zu.
    In dieser schmucklosen Stätte, in der Sethos so viele Tage und so viele Nächte zugebracht hatte, um Ägypten zu regieren und glücklich zu machen, lebte sein Geist fort. Hier kündete nichts vom Tod, sondern von der Stetigkeit eines unbeugsamen Willens.
    Die Tradition gebot, daß ein Sohn sein eigenes Haus baute und sich selbst den Rahmen für sein Leben schuf. Ramses hätte den Befehl erteilen müssen, diesen Raum zu zerstören und einen nach seinen Vorstellungen errichten zu lassen. Mit der Absicht hatte sich der junge Pharao auch getragen, ehe er das geräumige Gemach wiedersah.
    Von einem Fenster aus blickte er versonnen in den Innenhof, in dem der Wagen des Königs stand. Dann strich er mit einer Hand über den Schreibtisch, öffnete die Truhe, die jungfräuliche Papyri enthielt, und setzte sich in den Sessel mit der geraden Rückenlehne.
    Sethos’ Seele wies ihn nicht zurück.
    Der Sohn war dem Vater nachgefolgt, der Vater erkannte seinen Sohn als Herrn der Beiden Länder an. Ramses würde diesen Raum unangetastet lassen, hier arbeiten, während er in Memphis weilte, und auch diese Kargheit beibehalten, auf daß sie ihm half, seine Entscheidungen zu treffen.
    Auf dem großen Tisch lagen zwei biegsame, mit einem Leinenfaden verbundene Akazienzweige, die Wünschelrute, die Sethos benutzt hatte, um in der Wüste Wasser zu finden. Wie bedeutsam war dieser Augenblick in der Erziehung des Prinzen Ramses gewesen, der damals noch nicht geahnt hatte, was ihm bestimmt war! Er hatte nur begriffen, daß der Pharao mit den Elementen kämpfte, mit dem Geheimnis der Schöpfung, daß er in den Kern des Gesteins eindrang und aus ihm das verborgene Leben zutage förderte.
    Ägypten regieren, das bedeutete nicht nur, einen Staat zu lenken, sondern auch Zwiesprache mit dem Verborgenen zu halten.
    Mit vom Alter bisweilen schon steifen Fingern knetete Homer Salbeiblätter und stopfte sie in den Kopf seiner Pfeife, der aus einem großen Schneckenhaus bestand und sich nach und nach erfreulich schwärzte. Zwischen zwei Zügen gönnte er sich einen Schluck des schweren, mit Anis und Koriander gewürzten Weins. Der griechische Poet saß in einem Lehnsessel, auf einem weichen Kissen, unter seinem Zitronenbaum und genoß den milden Abend. Da meldete ihm seine Dienerin den Besuch des Königs.
    Als er Ramses von nahem sah, staunte Homer über seine stattliche Erscheinung.
    Der Poet erhob sich mit Mühe.
    «Bleib doch sitzen, ich bitte dich.»
    «Majestät, wie du dich verändert hast!»
    «Majestät?… Wirst du etwa ehrfürchtig, mein lieber Homer?»
    «Du bist schließlich gekrönt worden! Und

Weitere Kostenlose Bücher