Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tempel der Ewigkeit

Der Tempel der Ewigkeit

Titel: Der Tempel der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
Vom Netzwerk:
sitzen. Die Kronen auf den Häuptern, Zepter in der Hand, so mußten der König und die Königin Stunden um Stunden, die nicht enden wollten, regungslos auf einem Thron ausharren, damit die Bildhauer, «die Gestalter des Lebens», sie in den Stein zu meißeln vermochten, in dem sie bis in alle Ewigkeit jung aussehen würden. Nefertari ertrug die Unbill mit Würde, indes Ramses immer wieder seiner Ungeduld Ausdruck verlieh. Am zweiten Tag ließ er Ameni rufen, da er sich außerstande sah, noch länger untätig zu bleiben.
    «Wie steigt der Nil?»
    «Der Jahreszeit angemessen», antwortete der Oberste Schreiber des Königs. «Die für den Ackerbau zuständigen Beamten haben sich zwar Besseres erhofft, aber die Aufseher der Staubecken sind zuversichtlich. Es wird uns nicht an Wasser mangeln.»
    «Was macht mein Oberster Verwalter der Felder und Haine?»
    «Er überläßt die Verwaltungsaufgaben mir und setzt keinen Fuß in seinen Amtsraum. Dafür eilt er von Feld zu Feld und von einer Anpflanzung zur anderen und behebt dort Tag für Tag tausenderlei Schwierigkeiten. Ein eher ungewöhnliches Betragen für einen Mann in seiner Stellung, aber…»
    «Er möge so weitermachen! Gibt es irgendwelche Klagen von Seiten der Bauern?»
    «Nein. Die Erträge der letzten Ernte waren gut, und die Speicher sind gefüllt.»
    «Wie steht es um die Viehherden?»
    «Der letzten Zählung zufolge steigen die Geburten und sinkt die Sterblichkeit. Auch über die Gesundheit der Tiere liegt mir kein besorgniserregender Bericht vor.»
    «Und wie geht es meinem geliebten Bruder Chenar?»
    «Der ist ein Muster an Pflichttreue. Er hat seine Untergebenen zusammengerufen, ein Loblied auf dich gesungen und jedem eingeschärft, Ägypten gewissenhaft und tatkräftig zu dienen. Er nimmt seine Stellung sehr ernst, beginnt am frühen Morgen zu arbeiten, fragt seine Berater um ihre Meinung und behandelt unseren Freund Acha mit größter Hochachtung. Chenar entwickelt sich zu einem Mann der Papyri und zu einem überaus verantwortungsvollen Obersten Gesandten.»
    «Meinst du das ernst, Ameni?»
    «Wenn es um die Verwaltung geht, macht man keine Scherze.»
    «Hast du dich mit ihm unterhalten?»
    «Selbstverständlich.»
    «Wie hat er dich empfangen?»
    «Mit Höflichkeit. Er hat auch keinen Einwand erhoben, als ich ihn gebeten habe, mir einmal in der Woche einen Bericht über seine Tätigkeit zukommen zu lassen.»
    «Sehr verwunderlich… Er hätte dich abweisen können.»
    «Wenn du mich fragst, findet er Gefallen an seinem Amt. Und was hast du schon zu befürchten, solange du ihn überwachst?»
    «Dulde bei ihm keine Unregelmäßigkeit!»
    «Eine überflüssige Ermahnung, Majestät.»
    Ramses erhob sich, legte Zepter und Krone auf den Thron und schickte die Bildhauer fort. Ihr Entwurf nahm allmählich Gestalt an. Erleichtert tat Nefertari es dem König gleich.
    «Modell sitzen ist eine Strafe Gottes», gestand der Herrscher. «Hätte man mir vorher gesagt, worauf ich mich da einlasse, wäre ich dazu nicht bereit gewesen. Zum Glück wird unser Bildnis ein für allemal festgelegt.»
    «Jeder Stand stellt seine Anforderungen. Majestät kann sich dem nicht entziehen.»
    «Sieh dich bloß vor, Ameni! Dich meißeln sie auch noch in Stein, wenn du ein Weiser wirst.»
    «Bei dem Dasein, das Majestät mir auferlegt, besteht diese Gefahr nicht.»
    Ramses ging auf seinen Freund zu.
    «Was hältst du eigentlich von meinem Palastvorsteher Romet?»
    «Ein tüchtiger, aber von Sorgen geplagter Mann.»
    «Von Sorgen geplagt?»
    «Schon die nichtigste Kleinigkeit läßt ihn weder ruhen noch rasten, und er strebt ohne Unterlaß nach Vollkommenheit.»
    «Also ist er dir ähnlich.»
    Beleidigt verschränkte Ameni die Arme.
    «Soll das ein Vorwurf sein?»
    «Ich will nur wissen, ob Roinets Verhalten dich beunruhigt.»
    «Im Gegenteil, es beruhigt mich. Benähme sich die gesamte Beamtenschaft wie er, hätte ich keinen Kummer mehr. Was legst du ihm zur Last?»
    «Im Augenblick nichts.»
    «Von Romet hast du gewiß nichts zu befürchten. Und falls Majestät mich jetzt nicht mehr länger aufhält, eile ich in meine Amtsstube zurück.»
    Nefertari griff zärtlich nach Ramses’ Arm.
    «Ameni ist unerschütterlich.»
    «Er allein ersetzt eine ganze Regierung.»
    «Und dieses Zeichen der Götter? Hast du es schon wahrgenommen?»
    «Nein, Nefertari.»
    «Aber ich spüre es.»
    «Welche Form nimmt es an?»
    «Das weiß ich noch nicht, doch es kommt auf uns zu, schnell wie ein springendes

Weitere Kostenlose Bücher