Der Tempel der Ewigkeit
den niederträchtigsten Mitteln nicht zurückschrecken. Entweder lasse ich mich von der Furcht vor ihren Schlägen lahmen, oder ich schreite voran, ohne mir darüber Gedanken zu machen. Und ich habe beschlossen voranzuschreiten.»
«Also ist es meine Pflicht, dich zu beschützen.»
«Dafür sorgt Serramanna.»
«Er wehrt wohl die sichtbaren Angriffe ab, doch wer soll dich vor unsichtbaren Anschlägen bewahren? Diese Rolle fällt mir zu, Ramses. Ich werde deine Seele mit einer Mauer aus Liebe umgeben, die keine Dämonen zu durchbrechen vermögen. Aber das reicht noch nicht…»
«Woran denkst du?»
«An ein Wesen, das es noch nicht gibt, das aber deinen Namen und dem Leben beschirmen wird.»
«Es wird hier zur Welt kommen, auf diesem Boden, auf den du deine nackten Füße gesetzt hast. Hier wird mein Tempel der Millionen Jahre errichtet, mein Tempel für die Ewigkeit, das Ramesseum. Ich möchte, daß er unser gemeinsames Werk wird, wie unser Kind.»
DREISSIG
SERRAMANNA STRICH SEINEN Schnurrbart glatt, kleidete sich in ein weites, violettes Gewand mit einem breiten Kragen, betupfte sich mit Duftöl und überprüfte in einem Spiegel seine Haartracht. In Anbetracht dessen, was er Ramses vorzutragen gedachte, mußte er wie ein achtbarer Mann von Verstand auftreten, dessen Meinung etwas galt. Der Sarde hatte lange gezögert, ehe er diesen Schritt unternahm, doch die Schlüsse, die er aus seinen Beobachtungen zog, trogen ihn nicht und bedrückten ihn so sehr, daß er sich außerstande fühlte, sie noch länger in seinem Inneren zu verschließen.
Er näherte sich dem König, als dieser aus seinem Morgengemach heraustrat. Ausgeruht würde der Herrscher ihn bereitwillig anhören.
«Du siehst prächtig aus», befand Ramses. «Trägst du dich etwa mit der Absicht, dein Amt als Vorsteher meiner Leibwache niederzulegen, um dich fortan der neuesten Mode von Memphis zu widmen?»
«Ich dachte mir…»
«Du hast dir wohl gedacht, es sei schicklicher, dich für heikle Erklärungen fein herauszuputzen.»
«Wer hat dir angekündigt…»
«Niemand, sei unbesorgt. Dem Geheimnis ist noch nicht gelüftet.»
«Majestät, ich habe recht.»
«Eine wahrlich schöne Einleitung! Und womit hast du recht?»
«Dieser Skorpion, der dich stechen und dir deine Reise verderben sollte… den hat irgend jemand in deinem Gemach versteckt.»
«Das ist nicht zu leugnen, Serramanna. Wie wäre er sonst dahin gelangt?»
«Weil mich mein Versagen ärgerte, habe ich eine Untersuchung angestellt.»
«Und nun quält dich die Erkenntnis, die du gewonnen hast.»
«In der Tat, Majestät, in der Tat…»
«Solltest du Angst haben, Serramanna?»
Diese beleidigende Unterstellung ließ den Sarden erbleichen. Wäre Ramses nicht der Pharao von Ägypten, hätte Serramannas Faust ihm den Mund gestopft.
«Ich soll für deine Sicherheit sorgen, Majestät, und das ist nicht immer leicht.»
«Wirfst du mir etwa vor, daß ich unberechenbar bin?»
«Wärst du es etwas weniger…»
«Dann würdest du dich langweilen.»
«Ich bin zwar ein ehemaliger Seeräuber, doch ich mache meine Arbeit gern gründlich.»
«Wer hindert dich daran?»
«Zu deinem Schutz stets wachsam zu sein fällt mir nicht schwer, aber habe ich auch die Befugnis, darüber hinauszugehen?»
«Drücke dich deutlicher aus.»
«Ich hege einen Verdacht gegen einen, der sich in deiner Nähe aufhält. Diesen Skorpion kann nur jemand dort versteckt haben, der genau wußte, wo dein Gemach liegt.»
«Das war vielen bekannt.»
«Mag sein, aber mein Gefühl sagt mir, daß es mir gelingen könnte, den Schuldigen zu entlarven.»
«Mit welchen Methoden?»
«Mit meinen.»
«Das ägyptische Gemeinwesen beruht auf Gerechtigkeit, Serramanna. Der Pharao ist der oberste Diener der Maat, und er erhebt sich nicht über die Gesetze.»
«Mit anderen Worten: Du erteilst mir keinen offiziellen Befehl für meine Nachforschungen.»
«Würde er dir nicht Fesseln anlegen?»
«Verstanden, Majestät!»
«Da bin ich mir nicht so sicher, Serramanna. Geh deinen Weg, aber habe Ehrfurcht vor den Menschen. Ich werde keinerlei Übertretung der Gesetze dulden. Befehl oder nicht, ich fühle mich für deine Handlungen verantwortlich.»
«Ich werde keine Gewalt anwenden.»
«Gib mir dein Wort darauf.»
«Ist denn das Wort eines Seeräubers etwas wert?»
«Ein tapferer Mann bricht sein Wort nicht.»
«Wenn ich ‹Gewalt› sage, meine ich…»
«Dein Wort, Serramanna.»
«Gut, das hast du,
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