Der Tempel der vier Winde - 8
Burg der Zauberer gibt es so viele Bücher, daß ich nicht einmal Zeit hatte, sämtliche Titel zu lesen. Früher gab es für jede Bibliothek ganze Kuratorienstäbe. Ganz früher, lange vor meiner Zeit, wurden diese Kuratoren zusammengerufen, wenn man eine Antwort suchte. Jeder kannte seine Bücher und konnte sich zu Wort melden, wenn er Quellen zum fraglichen Thema kannte. Auf diese Weise war es verhältnismäßig einfach, die entsprechenden Bücher und Prophezeiungen ausfindig zu machen, die bei dem anstehenden Problem von Nutzen sein konnten.
In meiner frühen Jugend gab es nur noch zwei Zauberer, die als Kuratoren arbeiteten. Zwei Männer konnten nicht einmal annähernd all das Wissen verfügbar machen, das dort aufbewahrt wurde. In diesen Büchern ist ein ungeheures Ausmaß an Informationen enthalten, aber eine bestimmte Stelle zu finden ist eine gewaltige Aufgabe. Man muß sich von der Gabe leiten lassen, wenn man die Suche auch nur ansatzweise eingrenzen will.
Ein bestimmtes Wissen in dieser Bibliothek zu finden ist, als schwimme man mitten im Ozean und brauche etwas zu trinken. Wissen gibt es im Überfluß, und doch kann man verdursten, bevor man es findet. Als ich jung war, zeigte man mir die wichtigeren Bücher über Geschichte, Magie und Prophezeiungen. Ich beschränkte meine Studien weitgehend auf diese Bücher.«
»Was ist mit dem roten Mond?« fragte Ann. »Was stand darüber in den Büchern, die du gelesen hast?«
»Ich kann mich erinnern, nur einmal etwas über einen roten Mond gelesen zu haben. Allerdings handelte es sich nur um eine unklare Randbemerkung. Ich wünschte, ich hätte daran gedacht, mich weiter in das Thema zu vertiefen, aber das tat ich nicht. Es gab andere Dinge in den Büchern, die damals wichtiger waren und meine Aufmerksamkeit verlangten – wirkliche Dinge, keine hypothetischen.«
»Was stand in diesem Buch?«
»Wenn ich mich recht erinnere, und ich will nicht behaupten, daß dem so ist, stand dort etwas über einen Riß zwischen den Welten. Dort stand, sollte es zu einem solchen Riß kommen, wäre das entsprechende Warnzeichen ein roter Mond, drei Nächte lang.«
»Drei Nächte. Nach allem, was wir wissen, können wir bei dem bedeckten Himmel, den wir hatten, die drei Nächte mit rotem Mond bereits hinter uns haben. Was ist, wenn der Himmel ständig bedeckt ist? Man würde die Warnung übersehen.«
Zedd kniff konzentriert die Augen zusammen, als er versuchte, sich zu erinnern, was er gelesen hatte. »Nein … nein, dort stand, der, an den sich die Warnung richtete, würde das Warnzeichen drei Nächte lang sehen – alle drei Nächte, in denen der Mond rot ist.«
»Und was genau ist mit einer solchen Warnung gemeint? Was für einen Riß könnte es zwischen den Welten geben?«
»Wenn ich das nur wüßte.« Zedd ließ seinen weißen, welligen Haarschopf nach hinten gegen die Wand sinken. »Als die Kästchen der Ordnung von Darken Rahl geöffnet wurden, der Stein der Tränen aus einer anderen Welt in diese gelangte und der Hüter der Unterwelt kurz davor stand, durch den Riß in unsere Welt zu gelangen, war nie ein roter Mond zu sehen.«
»Dann bedeutet der rote Mond vielleicht gar nicht, daß ein Riß entstanden ist. Vielleicht erinnerst du dich falsch.«
»Vielleicht. Am lebhaftesten sind mir meine Gedanken von damals in Erinnerung geblieben. Ich habe mir einen roten Mond vorgestellt und mir gesagt, ein solches Bild müßte ich mir einprägen, für den Fall, daß ich es je in Wirklichkeit sähe. Ich müßte mir genau merken, daß es große Schwierigkeiten bedeutet, und sofort nach der Bedeutung des Zeichens suchen.«
Ann berührte seinen Arm, eine mitfühlende Geste, wie sie sie zuvor noch nie gemacht hatte. »Zedd, wir haben Nathan so gut wie gefunden. Heute abend werden wir ihn fassen. Wenn es soweit ist, werde ich dir den Rada’Han abnehmen, damit du schnell nach Aydindril zurückfahren und dich um diese Angelegenheit kümmern kannst. Um es genau zu sagen, sobald wir Nathan haben, brechen wir alle zusammen auf. Nathan wird verstehen, wie ernst die Lage ist, und ebenfalls helfen. Wir reisen mit dir zusammen nach Aydindril und helfen dir.«
Es paßte Zedd zwar nicht, daß diese Frau darauf bestanden hatte, er solle sie bei Nathans Gefangennahme begleiten. Inzwischen hatte er jedoch begriffen, welche Angst sie davor hatte, was Nathan anstellen könnte, solange er sich auf freiem Fuß befand. Sie war auf seine Hilfe angewiesen. Manchmal fiel es ihm schwer, seine
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