Der Tempel der vier Winde - 8
sie diesmal keine Wonne.
Zedd lachte wie ein Irrer. Ann stand aus seiner Perspektive Kopf. Er streckte ihr die Zunge raus und gab einen langen, unflätigen Ton von sich.
»Du brauchst gar nicht so zu tun«, knurrte sie. »Das ist ganz offensichtlich dein natürlicher Zustand.«
Zedd strampelte mit den Beinen, als versuche er kopfüber stehend durch die Luft zu laufen. Das Blut schoß ihm in den Schädel.
»Möchtest du würdevoll sterben?« fragte er sie. »Oder lieber weiterleben?«
»Ich werde hier nicht den Narren spielen.«
»Das ist genau das richtige Wort – spielen! Sitz nicht einfach so im Matsch herum. Spiel damit!«
Sie beugte sich vor und schob ihren Kopf ganz nahe an seinen. »Zedd, du kannst unmöglich ernsthaft glauben, daß so etwas funktioniert.«
»Das waren deine eigenen Worte. Du treibst dich mit einem Verrückten herum. Die Idee stammt praktisch von dir.«
»Ich habe nichts dergleichen vorgeschlagen!«
»Vielleicht stammt die Idee nicht direkt von dir, aber du hast mich darauf gebracht. Ich werde dir mit Freuden das ganze Verdienst daran zuschreiben, wenn wir die Geschichte weitererzählen.«
»Sie weitererzählen! Erstens wird es überhaupt nicht gelingen. Zweitens bin ich mir durchaus im klaren, daß du es nur zu gerne weitererzählen würdest. Ein Grund mehr für mich, es nicht zu tun.«
Zedd stimmte ein Geheul wie ein Kojote an. Er machte seine Beine und Arme steif und ließ sich wie ein gefällter Baum fallen. Ann wurde mit Matsch bespritzt. Kochend vor Wut wischte sie sich einen Klecks von der Nase.
Von dem hohen Zaun aus Stöcken beobachteten grimmig dreinblickende Wächter der Nangtong ihre beiden Gefangenen – ihre beiden Opfergaben. Zedd und Ann hockten Rücken an Rücken im Morast und lockerten die Fesseln, mit denen ihre Handgelenke zusammengebunden waren. Die mit Speeren und Bogen bewaffneten Wächter schien das nicht weiter zu kümmern. Die Gefangenen konnten nicht entkommen. Zedd wußte nur zu gut, wie recht sie damit hatten.
Im Morgengrauen waren die ersten zufrieden aussehenden Menschen am Schweinepferch erschienen. Im Laufe des Vormittags war die Menschenmenge immer weiter angewachsen, da mehr und mehr Dorfbewohner vorbeischauten, um ein Schwätzchen mit den Wächtern zu halten und einen Blick auf die Opfergaben zu werfen. Offenbar waren alle bester Laune, denn jetzt hatte man ein Opfer für die Seelen. Hatte man die unzufriedenen Seelen erst günstig gestimmt, wäre ihr Leben gesichert.
Mittlerweile wirkten die Wächter und die anderen Nangtong, die von der anderen Seite zuschauten, nicht mehr ganz so glücklich. Nervös zupften sie an den Tüchern herum, die ihre Gesichter verhüllten, und prüften, ob diese auch genug bedeckten und festsaßen. Die Wächter gingen dazu über, noch mehr Asche auf Gesicht und Körper zu verteilen. Offenbar konnte man nicht vorsichtig genug sein, wenn man vor den Seelen unerkannt bleiben wollte.
Zedd steckte seinen Kopf zwischen die Knie und schlug in der feuchten, klebrigen Pampe einen Purzelbaum. Wie verrückt lachend, beschrieb er rollend einen Kreis um Anns gedrungene Gestalt, die auf dem kalten Erdboden kauerte.
»Würdest du bitte damit aufhören?«
Zedd legte sich, alle viere ausgestreckt, vor ihr in den Matsch. Er ruderte mit ausgestreckten Armen und Beinen durch den Schlamm.
»Ann«, meinte er mit gesenkter Stimme, »wir haben eine wichtige Aufgabe zu erledigen. Uns wäre, glaube ich, ein größerer Erfolg beschieden, wenn wir diese Dinge in dieser Welt erledigten und nicht bis zur Unterwelt warteten, bis nach unserem Tod.«
»Mir ist durchaus klar, daß wir tot niemandem nützen.«
»Dann wäre es doch einleuchtend, daß wir fliehen müssen, findest du nicht auch?«
»Natürlich wäre es das«, brummte sie. »Nur glaube ich kaum –«
Zedd ließ sich auf ihren Schoß fallen. Sie schreckte angewidert zurück. Sie rümpfte die Nase, als er ihr seine dreckverschmierten Arme um den Hals schlang.
»Wenn wir nichts unternehmen, Ann, sterben wir. Wenn wir versuchen, uns gegen diese Leute zur Wehr zu setzen, sterben wir ebenso. Ohne unsere Magie haben wir keine Chance, ihnen zu entkommen. Unsere einzige Möglichkeit besteht darin, sie davon zu überzeugen, uns laufenzulassen. Wir sprechen ihre Sprache nicht, und selbst wenn, weiß ich nicht, ob wir sie umstimmen könnten.«
»Ja, aber –«
»So wie ich die Lage einschätze, bleibt uns nur eine Chance. Wir müssen sie überzeugen, daß wir völlig übergeschnappt
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