Der Tempel der vier Winde - 8
Richard?«
»Natürlich. Der war schließlich Ärger und Wunder in ein und derselben Person.«
Verna lächelte, denn das stimmte ohne Zweifel. »Er besitzt die Gabe, und aus dem Grunde bin ich ihm auch so lange gefolgt, aber das ist noch nicht alles. Er wurde mit ihren beiden Seiten geboren. Darüber hinaus ist er ein Rahl.
Vor dreitausend Jahren, im großen Krieg, hat Richards Vorfahr eine Magie erschaffen, um Traumwandler abzublocken. Diese geht auf alle Nachfahren mit der Gabe über.«
Janet krallte ihre Hände abermals in Vernas Kleid. »Wie? Wie geht es?«
Verna lächelte. »Es ist so einfach, daß man es kaum glauben mag. Manchmal ist das so mit der mächtigsten Magie. Man braucht nichts weiter zu tun, als im Herzen ein feierliches Gelöbnis auf ihn abzulegen, dann beschützt einen seine Magie vor dem Traumwandler. Solange Richard lebt und in dieser Welt weilt, wird Jagang nie wieder in deinen Geist eindringen können.«
»Ich schwöre Richard die Treue und bin von Jagang befreit?«
Verna sah nickend in das verblüffte Gesicht der Frau. »So ist es.«
»Was muß ich tun?«
Verna hob einen Finger, um Warrens Einwänden zuvorzukommen. Sie ging auf die Knie und zog Janet mit sich nach unten.
»Sprich mit mir zusammen die Worte von ganzem Herzen. Richard ist ein Kriegszauberer und führt uns in unserem Kampf gegen Jagang. Wir glauben von ganzem Herzen an ihn und an seinen Mut. Sprich die Worte mit mir zusammen, und glaube daran, dann wirst du frei sein.«
Janet nickte und faltete ihre Hände zum Gebet. Die Tränen liefen ihr übers Gesicht. Verna sprach leise das Gebet und hielt gelegentlich inne, damit Janet ihr die Worte nachsprechen konnte.
»Herrscher Rahl, führe uns. Herrscher Rahl, beschütze uns. In deinem Licht gedeihen wir. In deiner Gnade finden wir Schutz. Deine Weisheit erfüllt uns mit Demut. Wir leben nur, um zu dienen. Unser Leben gehört dir.«
Im Flüsterton wiederholte Janet Vernas Worte.
Sie gab Janet einen Kuß auf die Wange. »Du bist frei, meine Freundin. Jetzt beeil dich. Besser, wir verschwinden hier.«
Janet schnappte nach Vernas Ärmel. »Was ist mit den anderen?«
Verna zögerte. »Ich täte nichts lieber, als auch die übrigen unserer Schwestern zu retten, aber das kann ich nicht, jedenfalls nicht jetzt. Wir werden später versuchen, sie zu holen. Wagen wir es jetzt, bekommt Jagang uns zu fassen.
Ich bin gekommen, um dich zu holen, weil du meine Freundin bist und ich dich liebe. Wir haben alle fünf geschworen, uns immer gegenseitig zu beschützen. Phoebe ist bereits bei uns. Nur du hast noch gefehlt.
So gerne ich die anderen Schwestern auch retten würde, das muß bis später warten. Ich werde sie nicht vergessen, das verspreche ich dir, aber wir können nicht alles auf einmal schaffen.«
Janet ließ den Kopf hängen und starrte auf den Boden. »Jagang hat Christabel getötet. Ich war dabei. Ihre Schreie verfolgen mich bis in meine Alpträume. Ihre Schreie und Jagang.«
Verna fühlte sich, als hätte man ihr einen Schlag in den Unterleib versetzt. Christabel war ihre beste Freundin gewesen. Sie wollte die Einzelheiten gar nicht hören. Christabel hatte sich dem Hüter zugewandt.
»Deswegen muß ich dich hier rausholen, Janet. Meine Angst um dich und vor dem, was Jagang dir angetan hat, verfolgt mich bis in meine Alpträume.«
Janet hob den Kopf. »Was ist mit Amelia? Sie war eine von uns fünf. Wir können sie unmöglich zurücklassen.«
Verna sah ihr gerade in die Augen. »Amelia ist eine Schwester der Finsternis.«
»War«, meinte Janet. »Jetzt nicht mehr.«
»Was?« fragte Verna entgeistert.
Warren beugte sich zu ihr hinüber. »Wenn man sich dem Hüter einmal verschworen hat, kann man diesen Entschluß nicht rückgängig machen. Ihr dürft ihren Worten nicht trauen, Schwester Janet. Wir sollten machen, daß wir verschwinden. Sie hat sich dem Hüter verschworen.«
Janet schüttelte den Kopf. »Nicht mehr. Jagang hat sie auf irgendeine Mission geschickt, die mit Magie zu tun hatte, und um ihre Aufgabe durchführen zu können, war sie gezwungen, den Hüter zu verraten.«
»Das ist ausgeschlossen«, meinte Verna.
»Es stimmt«, beharrte Janet. »Sie ist wieder zurück. Sie hat ihr Gelübde gegenüber dem Schöpfer erneuert. Ich habe selbst mit ihr gesprochen. Sie sitzt da und weint, küßt die halbe Nacht ihren Ringfinger und betet zum Schöpfer.«
Verna beugte sich weiter vor und sah Janet in die Augen. »Hör zu, Janet. Hast du gesehen, wie sie ihren
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