Der Tempel der vier Winde - 8
Pflicht nicht entziehen. Sie erinnerte sich nur zu gut an seine Worte:
Man hat mir den Preis nicht gezeigt, aber ich warne dich vorab: Du hast keine Möglichkeit, dies zu umgehen oder zu vermeiden. Es muß geschehen, wie es dir offenbart wird, oder alles ist verloren. Ich möchte dich bitten, schlage den Pfad ein, sobald die Winde ihn dir zeigen, denn sonst wird sich ereignen, was ich dir gezeigt habe.
Kahlan erinnerte sich an die Szenen des Massensterbens, die die Ahnenseele ihr vor Augen geführt hatte. Wenn sie nicht tat, was die Winde von ihr verlangten, würde das geschehen, was man ihr gezeigt hatte.
Sie mußte Drefan gewähren lassen. Durch Hinhalten würde es nicht einfacher werden.
Für Drefan war es bestimmt auch nicht leicht. Sicher alles andere, so wie sie seine Annäherungsversuche brüsk von sich wies. Der Gedanke entfachte ihren Zorn aufs neue. Sie wollte seine Zärtlichkeiten nicht.
Was wollte sie dann? Wollte sie, daß er grob war? Natürlich mußte sie ihm erlauben, daß er sie anfaßte. Wie konnte er es tun, ohne sie zu berühren? Richard mußte in den Tempel der Winde gelangen. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als Drefan gewähren zu lassen.
Kahlan reichte hinüber und ergriff Drefans Handgelenk. Sie legte seine Hand dorthin zurück, wo er sie zuvor hatte hinlegen wollen, auf ihren Bauch. Dann ließ sie sie los. Sie blieb dort liegen.
Worauf wartete er? Am liebsten hätte sie ihn angeschrien, er solle es hinter sich bringen, er solle es tun und fertig. Er solle sich nehmen, was dem Herzen nach seinem Bruder gehörte, wenn auch nicht dem Gelübde nach.
Sie lag da, Drefans Hand auf ihrem Körper, und lauschte in die totenstille Nacht. Sie ertappte sich dabei, daß sie auf Geräusche von Nadine und Richard lauschte. Dann schloß sie die Augen.
Drefans Hand schob sich hinauf zu ihrer Brust. Die Hände neben ihrem Körper zu Fäusten geballt, zwang sie sich, reglos liegenzubleiben. Sie mußte ihn gewähren lassen. Sie versuchte sich abzulenken. Im stillen sagte sie mechanisch Sprachlektionen aus ihrer Jugend auf und versuchte, seine Hand zu ignorieren. Es ging nicht.
Er war zärtlich, aber das bot ihr keinen Trost. Schon seine Berührung kam einer Schändung gleich. Wie zärtlich er dabei vorging, änderte nichts, machte es nicht zu einem Recht. Daß er jetzt ihr Gemahl war, bedeutete für sie keinen Unterschied. In ihrem Herzen wußte sie, es war falsch, und das machte es zu einer Schändung.
Innerlich schrie sie sich an. Sie benahm sich mehr als kindisch. Sie war die Mutter Konfessor und hatte schon viel schlimmeren Situationen gegenübergestanden, viel schlimmeren als dieser, viel schlimmeren als der, daß ein Mann, für den sie nichts empfand, ihr so nahe war, so intim mit ihr wurde.
Aber sie war nicht mehr die Mutter Konfessor. Der Tempel der Winde, die Seelen, hatten ihr auch das genommen.
Kahlan schnappte japsend nach Luft und hielt den Atem an, als Drefans Hand ihren Bauch erkundete und schließlich zwischen ihren Beinen innehielt. Sie mußte daran denken, wie Drefan dasselbe mit Cara gemacht hatte. Jetzt war sie an der Reihe.
Sie haßte ihn. Sie war mit einem Mann verheiratet, den sie haßte.
Cara hatte es ebenso gespürt, wie Kahlan es jetzt spürte. Doch die MordSith hatte nicht so kindisch reagiert, war nicht so töricht gewesen. Kahlan ließ Drefans Hand freies Spiel.
Es ging darum, Menschenleben zu retten. Sie mußte all die unschuldigen Menschen vor der Pest bewahren, die Jagang ihnen geschickt hatte. Ohne sie konnte ihr Volk nicht gerettet werden. Es war ihre Pflicht.
Plötzlich erhob sich Drefan. Seine dunkle Gestalt schien über ihr zu schweben. Seine Knie drückten sachte gegen ihren Schenkel, drängten sie, die Beine zu öffnen. Gleich war es vorbei, redete sie sich ein, als er auch sein zweites Knie zwischen ihre Schenkel schob.
Seine mächtige Gestalt senkte sich auf sie herab. Er war kräftig gebaut, genauso kräftig wie Richard. Sie befürchtete, er könnte sie zerdrücken, aber dazu kam es nicht. Er stützte sich auf den Ellenbogen ab, um ihr nicht weh zu tun. Dabei versuchte er zärtlich zu sein, und sie erschwerte es ihm nur. Er mußte es tun, und sie mußte ihn gewähren lassen.
Kahlan verzog das Gesicht. Sie war noch nicht soweit. Sie hielt den Atem an. Es war zu spät, um noch nicht soweit zu sein. Drefan war da. Sie biß sich auf die Unterlippe und zuckte zusammen.
Sie kam sich so hilflos vor wie nie zuvor in ihrem Leben. Sie war mit Drefan
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