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Der Tempel der vier Winde - 8

Der Tempel der vier Winde - 8

Titel: Der Tempel der vier Winde - 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Goodkind
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Messer weh tun. Dieses Zögern hat dich gerade zur Mord-Sith gemacht, Cara. Damit fängt es an.‹«
    Cara stand wie zu Stein erstarrt da.
    »Sie hielten mich in einem kleinen Zimmer gefangen, mit einem kleinen Gitter unten in der Tür. Ich konnte nicht raus. Aber die Ratten konnten herein. Nachts, wenn ich mich nicht mehr länger wach halten konnte und einschlief, kamen die Ratten in meine kleine leere Zelle geschlichen und bissen mich in die Fingerspitzen und Zehen. Die Schlange schlug mich halbtot, weil ich versuchte das Gitter zu verstopfen. Ratten mögen Blut. Das macht sie ganz aufgeregt. Ich lernte, zusammengerollt zu schlafen, wobei ich meine Hände zu Fäusten ballte und an meinen Bauch preßte, damit sie nicht an meine Finger herankamen. Dafür waren meine Zehen ungeschützt. Ich zog mein Hemd aus und wickelte es um meine nackten Füße, doch wenn ich dann nicht auf dem Bauch schlief, bissen sie mich in die Brustwarzen.
    Mit nackter Brust auf dem kalten Steinfußboden zu liegen, die Hände unter den Bauch gesteckt, war an sich schon eine Qual, wenigstens blieb ich für gewöhnlich dadurch länger wach. Wenn die Ratten nicht an meine Zehen herankamen, bissen sie mich irgendwo anders – in die Ohren, die Nase oder die Beine –, bis ich erschrocken aus dem Schlaf hochfuhr und sie verscheuchte. Nachts konnte ich zudem die anderen Mädchen schreien hören, wenn sie von Ratten wachgebissen wurden. Immerzu weinte eines von ihnen oder rief nach seiner Mutter. Manchmal merkte ich, daß es meine eigene Stimme war, die ich da rufen hörte. Oft wachte ich auf, weil die Ratten mit ihren kleinen Krallen über mein Gesicht kratzten, ihre kleinen Barthärchen meine Wangen streiften, während sie die kalte Nase an meine Lippen preßten, um dort schnuppernd nach Krumen zu suchen. Ich beschloß, die Mahlzeiten, die sie mir brachten, nicht mehr zu essen, und ließ die Schale mit dem Haferschleim und dem Kanten Brot auf dem Fußboden stehen, in der Hoffnung, die Ratten würden mein Abendessen fressen und mich in Ruhe lassen.
    Es funktionierte nicht. Das Essen lockte bloß noch mehr Ratten an, ganze Horden, und wenn es dann aufgefressen war … Danach aß ich stets mein Abendbrot bis zum letzten Krümel, sobald die Schlange es brachte. Manchmal verhöhnte sie mich dann. Sie sagte: ›Zögere nicht, Cara, sonst fressen dir die Ratten alles weg.‹ Ich wußte, was sie mit ›Zögere nicht‹ meinte. Das war ihre Art, mich daran zu erinnern, welchen Preis mein Zögern mich und meine Eltern gekostet hatte. Während sie meine Mutter vor meinen Augen zu Tode folterten, sagte die Schlange: ›Siehst du, was passiert, weil du gezögert hast, Cara? Weil du zu ängstlich warst?‹ Man brachte uns bei, Darken Rahl sei ›Vater Rahl‹. Wir hätten keinen Vater außer ihm. Als ich zum dritten Mal gebrochen wurde, als sie mir befahlen, meinen richtigen Vater zu Tode zu foltern, forderte mich die Schlange auf, nicht zu zögern. Ich tat es nicht. Mein Vater flehte um Gnade. ›Cari, bitte‹, weinte er. ›Cari, erspar dir, das zu werden, was sie von dir verlangen.‹ Ich aber zögerte keinen Augenblick. Danach war Darken Rahl mein einziger Vater.«
    Cara hielt ihren Strafer in die Höhe und starrte darauf, während sie ihn durch die Finger laufen ließ.
    »Dadurch verdiente ich mir meinen Strafer. Den Strafer, mit dem sie mich ausgebildet hatten. Ich verdiente mir den Namen Mord-Sith.«
    Cara blickte Kahlan nun wieder in die Augen, wie aus großer Ferne und nicht nur über die zwei Schritte hinweg, die sie voneinander trennten. Von jenseits des Wahnsinns. Eines Wahnsinns, den andere ihr eingepflanzt hatten. Kahlan kam sich vor, als verwandelte das, was sie in den Tiefen dieser blauen Augen erblickte, auch sie in Stein.
    »Ich war eine Schlange. Ich stand im Sonnenlicht, beugte mich über junge Mädchen und nahm ihnen das Messer aus der Hand, wenn sie zögerten, weil sie niemandem weh tun wollten.«
    Kahlan hatte Schlangen nie ausstehen können. Jetzt fand sie sie noch ekelhafter.
    Tränen liefen ihr über die Wangen und hinterließen dabei feuchte Spuren.
    »Das tut mir leid, Cara«, sagte sie leise.
    Ihr drehte sich der Magen um. Sie hätte nichts lieber getan, als die Arme um diese Frau in rotem Leder zu schlingen, aber sie war zu keiner Bewegung fähig.
    Die Fackeln knisterten. In der Ferne hörte man gedämpfte Gesprächsfetzen der Wachen. Leises Gelächter hallte ihnen durch den Gang

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