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Der Tempel zu Jerusalem

Der Tempel zu Jerusalem

Titel: Der Tempel zu Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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unterhalten.
Balkis konnte hinter das Äußere der Menschen sehen und bis ins tiefste,
verborgene Innere ihrer Seele vordringen.
    Salomo besaß
die eindrucksvolle Statur eines großen Königs und die Klugheit der von Gott
Auserkorenen. Hiram glich ihm, doch in ihm brannte ein anderes Feuer, düsterer
und gequälter. Gemeinsam konnten diese beiden Männer die unglaublichsten Werke
schaffen. Allein war ihnen das allergrausamste Los beschieden, doch weder der
eine noch der andere waren sich dessen bewußt.
    «Weißt du
nicht, das heute ein freier Tag ist?» fragte Elihap erzürnt.
    «Sabbat war
gestern», entgegnete Hiram. «Meine Arbeiter werden heute zu Ehren der beiden
Majestäten schlemmen. Ich jedoch arbeite, denn das Dach muß fertiggestellt
werden.»
    Elihap wandte
sich an Salomo in der Hoffnung, Unterstützung bei seinem König zu finden. Doch
Balkis kam dazwischen.
    «Warum rufst du deine
Arbeiter nicht zusammen, Meister Hiram? Warum sollen sie nicht an dem
Augenblick teilhaben, wenn sich zwei große Königreiche friedlich begegnen?»
    Noch nie
hatte Hiram eine so schöne Frau erblickt. Ihre elegante Gestalt und ihr zartes
Gesicht konnten es mit den hübschesten Ägypterinnen aufnehmen. Ihre Lippen
lachten, ihre Augen wirkten nachdenklich. In ihr vereinte sich die Fröhlichkeit
einer Verliebten mit dem Ernst einer Königin.
    Hiram hatte
sich geschworen, die Macht, die er besaß, nie auszunutzen. Doch Balkis stellte
ihn auf eine harte Probe, aus der er nicht als Besiegter hervorgehen durfte. Er
gab einem Verlangen nach, das aus den Tiefen seiner Seele emporstieg, hob die
Arme und bildete mit den Händen ein Dreieck, eine Geste, die bei den Ägyptern ka hieß.
    Eine geraume
Weile verharrte er so, unbeweglich und einem vor der Sonne erstarrten Späher
gleich.
    Salomo war
gereizt, denn er glaubte, Hiram wäre von Sinnen. Wie wollte es der Baumeister
schaffen, die in der Stadt und auf dem Land verstreuten Arbeiter herbeizurufen?
Am liebsten hätte der König dieses lächerliche Schauspiel unterbrochen, doch
Balkis blickte Hiram eindringlich an.
    Auf einmal
hörte man Gemurmel am Eingang zum Hof. Die Höflinge schubsten sich;
aneinandergedrängelt machten sie den Meistern und Gesellen Platz, die mit
streitlustigen Mienen den Hof umzingelten. Aus den Gassen kamen ganze Scharen
von Lehrlingen heraufgestiegen, gefolgt von den Handlangern. Steinmetze,
Steinhauer, Maurer, Tischler, Schreiner, Gießer, Schmiede – alle zogen in
Richtung Tempel und folgten dem Ruf Meister Hirams.
    Sie bildeten
ein stummes und friedliches Heer, dessen Macht jedoch augenscheinlich war.
Binnen einer knappen Stunde hatte Hiram Tausende von Männern versammelt, die
sich auf ein Zeichen hin mit dem gleichen Feuereifer und der gleichen Disziplin
wie erfahrene Soldaten seinem Befehl unterstellten.
    Die Höflinge hatten
Angst, Salomo saß unbeweglich da. Dank der Königin von Saba kannte er jetzt die
Grenzen seiner Macht: Er regierte in Israel nicht allein.
    Der
Baumeister verschränkte die Arme.
    «Dein Wunsch
ist erfüllt», sagte er zu der Königin von Saba.
    «Hüte dich, Meister
Hiram», murmelte Balkis.

 
    Kapitel 47
     
     
     
    Ein
lauer Herbstwind wehte, der kleine, weiße
Wolken über Jerusalem hinwegblies, die das Ende der großen Hitze ankündigten.
Jetzt kam für fröhliche Scharen junger Leute die Zeit, in den Weinbergen unter
Feigenbäumen und Ölbäumen zu schlafen, die zwischen den Rebstöcken gepflanzt
worden waren, die nicht zurückgeschnitten wurden. Die Erfahrensten zeigten den
Neulingen, wie man das Rebmesser handhabte, mit dem man die riesigen, roten
Trauben sonnengereiften Weins abschnitt. In der Regel hatte man es damit nicht
eilig, doch dieses Mal beeilten sich die Kräftigsten, die Weidenkörbe zu leeren
und den Inhalt in einen Keller zu schütten, wo junge Leute mit Begeisterung
Trauben traten.
    Der
Oberhofmeister hatte reichlich Wein angefordert, der beim Festmahl Salomos für
die Königin von Saba bestimmt war. Dazu hatte er zahlreiche Tische aufstellen
lassen, denn der gesamte Hof wollte an dem Empfang teilnehmen. Er gebot über
eine ganze Schar von Köchen und Mundschenken, rannte jedoch von einer Stelle
zur anderen, aus Angst, in Verzug zu geraten.
    Die
sonderbare Haltung des Schreibers fiel ihm auf, der sich an der Mauer
entlangdrückte, als er seinem Arbeitszimmer zustrebte.
    «Was ist los,
Elihap?»
    «Nichts… muß
Papyrus einordnen.»
    Der Schreiber
konnte nicht gut lügen.
    «Bei all diesen
Festlichkeiten

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