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Der Tempel zu Jerusalem

Der Tempel zu Jerusalem

Titel: Der Tempel zu Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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Ein
Priester peitschte auf die Lenden des Ziegenbocks ein, und der machte einen
Satz nach vorn.
    Dann blieb
das Tier zwei Ellen vor Meister Hiram stehen. Die Blicke des Oberbaumeisters
und des verurteilten Tieres kreuzten sich. Hiram las in den Augen des Tiers
keine Verzweiflung, sondern nur einen Stolz, den kein Unglück würde besiegen
können. Der Ziegenbock hob den Kopf, stieß einen Seufzer aus, der tief aus
seinem Inneren kam, und lief seinem Tod entgegen.
     
     
    Kaleb aß gut durchgebackenes
Brot und Frischkäse. Anup erbettelte sich einen Anteil des Essens vom Hinkefuß,
der ihm jedoch sparsam abgab, während Hiram an neuen Plänen arbeitete.
    «Ruhst du
denn niemals aus…»
    «Die Königin
von Saba ist unterwegs nach Jerusalem. Salomo will eine noch schönere
Hauptstadt haben. Meine Handwerker müssen wahre Wunder vollbringen.»
    «Auch Gott selbst hat
geruht.»
    «Der war auch
nicht Salomos Diener.»
    «Ist der
König etwa dein bester Freund geworden?»
    Hiram legte die Schreibbinse
beiseite und blickte Kaleb an.
    «Soll das ein
Vorwurf sein?»
    Der Hinkefuß
senkte den Blick und sammelte sich ganz auf seine Schüssel.
    «Niemand kann
Freund eines Königs sein. Ein Großteil des Volkes bewundert und achtet dich.
Welcher Herrscher würde wohl über lange Zeit einen Rivalen dulden? Du hast viel
Glück gehabt. Der Tempel ist fertig, und du lebst immer noch. Das solltest du
dir zunutze machen und fortgehen.»
    Der
Oberbaumeister zog eine rote Linie auf dem Papyrus. Seine Hand arbeitete mit
einer Genauigkeit und Schnelligkeit, die Kaleb beinahe erschreckten. Wurde sie
etwa von einem Geist geführt?
    «Du bist
schon immer ein Unglücksprophet gewesen, mein tapferer Kaleb, aber noch ist
nichts eingetroffen. Dank meiner Bruderschaft ist Israel ein reiches und
prächtiges Land. Wäre es richtig, wenn ich die Menschen im Stich lassen würde,
die Tempel und Palast gebaut haben? Würde so nicht ein Feigling handeln?»
    Kaleb hatte keinen Hunger
mehr. Er stellte die Schüssel zu Boden, und der Hund leckte sie eifrig aus.
    «Beim zweiten
Mal verfehlt kein Jäger dasselbe Wild. Salomo wird dich umbringen, Meister
Hiram.»
     
     
    «Das ist mein Geschenk zum
neuen Jahr», sagte Salomo zu Nagsara.
    Auf den
Fliesen in den Gemächern der Königin entrollten Diener einen riesigen
Seidenteppich in Smaragdgrün und mit Goldfäden durchwirkt. In die Ecke gen
Osten stellten sie einen Thron aus Elfenbein, in die gen Süden ein Purpurbett,
in die gen Norden einen goldenen Tisch mit Goldgeschirr und in die gen Westen
Ölkrüge, Weinschläuche und Gefäße mit Honig.
    Die Königin
musterte den Mann, den sie liebte, eine Liebe, die durch ihre Abgeschiedenheit
noch heißer brannte. In sieben Jahren war Salomo nicht gealtert. Noch hatte
sich keine Runzel in dieses Gesicht mit den klaren Linien eingegraben, das
augenblicklich ein prächtiger, tiefschwarzer Bart zierte, der noch zu seiner
angeborenen Autorität beitrug.
    «Danke für
deine guten Gaben, Majestät. Aber das sind nicht die Schätze, die ich brauche.
Ich leide. Es zerreißt mir das Herz. Die Göttin Hathor erhört meine Gebete
nicht mehr. Jeden Abend befrage ich die Flamme, aber sie antwortet mir nicht
mehr. Wenn du mich deines Anblicks beraubst, kann ich nicht mehr leben. Du bist
zu weise, zu vollkommen, zu weit von der Menschheit entfernt. Hast du denn wie
dein Vater David, von dem die Höflinge mit so viel Zuneigung sprechen, gar
keine Schwächen, kannst du den Staat nicht einmal vergessen und dich mit der
Verzweiflung einer Frau beschäftigen?»
    Salomo trat
aus dem Flügel des Palastes, der der Königin vorbehalten war. Aber er dachte
nicht an sie, sondern an Hiram.
    Bis jetzt
hatte er nicht auf die Verleumdungen gehört, die auf seinen Oberbaumeister
zielten. Er hatte Warnungen und Gerüchten kein Gehör geschenkt, denn
Freundschaft und Zweifel vertrugen sich nicht. Doch allmählich nagte ein Gift
an seiner Seele. Hiram war möglicherweise ein Ehrgeiziger, ein Herrscher, der
seinen Namen verschwieg. Salomo durfte sich nicht blind stellen, seine
Klarsicht mußte sein teuerstes Gefühl zerstören.
    Auf einmal
überkam ihn das Verlangen, Israel seinem Schicksal zu überlassen und sich den
Winden des Weltalls zu übergeben.

 
     
     
     
    Teil Drei
     
     
     
    Braun bin
ich, doch schön
    ihr Töchter
Jerusalems…
    Du, den meine Seele liebt,
    sag mir, wo
weidest du die Herde?
    Wo lagerst du
am Mittag?
    Wozu soll ich
erst herumirren
    bei den
Herden deiner

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