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Der Tempel zu Jerusalem

Der Tempel zu Jerusalem

Titel: Der Tempel zu Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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spürte, daß sich Israels Schicksal von diesem
Augenblick an würdig gestalten würde. Der Hohepriester, den man nicht befragt
hatte, konnte seinen Zorn kaum zügeln. Insgeheim flehte er Gottes Blitzstrahl
auf die Fremdländerin herab. Einige Frauen bedauerten das traurige Los, das
Nagsara getroffen hatte. Und jedem fiel auf, daß sonderbarerweise auch der
Oberbaumeister Hiram fehlte.
    Als sie den Fuß auf die
Straße setzte, die zum Tempel führte, betete Balkis zur Sonne. Ihr Gebet
empörte die Priesterschar, doch Salomo machte der Königin von Saba, die in
einem hellgrünen, sehr schlicht geschnittenen Gewand noch prächtiger anzusehen
war als vor zwei Tagen, keinen Vorwurf daraus. Er bat sie, an seiner Seite auf
einem Tragsessel Platz zu nehmen, der aus vergoldetem Holz und von Hirams
Schreinern geschaffen worden war.
    Balkis trug
die Haare kurz. Sie waren leuchtend schwarz und so fein wie Augenwimpern. Ihr
Gesicht war anmutig wie das einer Hindin, zart wie eine Taube und frisch wie
eine Lilie.
    «Was ist der
wahre Grund für dein Kommen?»
    «Ich wollte
den Tempel sehen, den alle Leute für vollkommen erachten, und ein Land
kennenlernen, das von einem König regiert wird, dessen durchdringenden Geist
man rühmt und dessen Worte man aufsaugt. Glücklich, wer deine Frau ist,
glücklich, wer dein Diener ist, denn sie dürfen ständig um dich sein. Gelobt
sei der Gott, der dich auf Israels Thron gesetzt hat.»
    «Diese Worte
schmeicheln zu sehr.»
    «Hat Jahwe Salomo nicht
Klugheit so riesig wie Sand am Meer geschenkt? Strahlt deine Weisheit nicht
heller als die aller Söhne des Morgenlandes?»
    «Weisheit ist
kein Besitz.»
    «Sei nicht so
bescheiden. Dein Ruf geht weit über Israels Grenzen hinaus.»
    Salomo merkte
auf. Hatte die Königin von Saba etwa die Absicht, ihm eines dieser gefürchteten
Rätsel zu stellen, die den Gelehrtesten zum Gespött machten und den
namhaftesten Ruf zerstörten? Wer die Lösung nicht fand, verlor die Ehre.
    «Ich muß dir
trotzdem einen Vorwurf machen.»
    «Welchen?»
verwunderte sich der König.
    «Man munkelt,
daß du den Dämonen befiehlst und daß du die Sprache der Tiere und Pflanzen
verstehst. Gewährt dir das nicht Zugang zu verbotenen Reichen?»
    «Gibt es für jemanden, der
nach Weisheit sucht, denn verbotene Reiche?»
    Balkis
lächelte.
    «Jerusalem ist eine prächtige
Stadt», sagte sie sanft.
    «Die Erde ist
eine von Wasser umgebene Scheibe», bemerkte Salomo. «Und die hat der Baumeister
der Welten gezeichnet. In ihre Mitte hat er Israel gesetzt und mitten in Israel
den Felsen von Jerusalem, wo sein Geist Gestalt angenommen hat, eine
unsichtbare Gegenwart, die die Seelen der Gerechten speist.»
    Die Königin
von Saba lauschte aufmerksam und genoß die Worte des Königs wie Honig.
    «Deine
Vermählung mit einer Tochter Siamuns hat für große Aufregung gesorgt»,
erinnerte sie ihn. «Warum ist sie nicht an deiner Seite?»
    «Das ist hier
nicht Brauch. Sie ist nur die erste unter meinen Gemahlinnen. Du wirst sie beim
Festmahl sehen, das wir dir zu Ehren geben.»
    Salomo reichte Balkis den Arm
und half ihr aus dem Tragsessel. Zusammen stiegen sie die Stufen hoch, die zu
dem Platz führten, wo ihr Priester und Höflinge huldigten. Die Königin von Saba
sah sich die Gerichtshalle, das Haus vom Walde Libanon, die Halle der Säulen,
die auf das Kidron-Tal ging, den Palast und den Tempel an.
    Und sie sah sich
an den Wundern satt. Balkis’ Schönheit, die durch die Schlichtheit ihres
Auftretens noch mehr erstrahlte, rührte Salomo ans Herz. Die Vollkommenheit der
Bauten, die alle Gebäude Sabas übertraf, machte die Königin stumm vor Staunen.
    «Wer ist der Erbauer dieser
Meisterwerke?»
    «Meister
Hiram.»
    «Ich würde
ihn gern kennenlernen.»
    Salomo befahl
seinem Schreiber, den Baumeister zu holen.
    «Nicht nötig», sagte die
ernste Stimme des Oberbaumeisters, der auf dem Dach der Gerichtshalle stand.
    Balkis
blickte zu ihm hoch. Der Oberbaumeister ging zwar auf die Vierzig zu, hatte
jedoch nichts von seiner kräftigen Statur eingebüßt. Die hohe, von tiefen
Falten durchzogene Stirn war das charakteristischste Kennzeichen eines scheuen
Menschen. Sein Auftauchen sorgte unter den Höflingen für Ärger. Er überragte
Salomo und die Königin von Saba und bezeugte damit eine Majestät, die einige
beleidigend fanden.
    Die Königin
ließ ihn nicht aus den Augen. Wie Salomo verstand auch sie sich darauf,
verbotene Reiche zu betreten und sich mit unsichtbaren Mächten zu

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