Der Tempel zu Jerusalem
spürte. Der Haubenlerche folgten
Raben, Eichelhäher, Elstern und Bussarde, und alle hackten auf ihn ein. Blutend
ergriff Jerobeam die Flucht.
Kapitel 48
Salomo und der
Hohepriester standen sich in der Vorhalle zu Jahwes Tempel gegenüber und
stritten sich öffentlich. Zadok gab keinen Schritt nach. Sein beleidigter
Glaube empörte sich gegen das Benehmen des Herrschers. Er war sich des Risikos
bewußt, das er einging, wollte sich jedoch der Robe, die er trug, würdig
erweisen.
«Majestät,
die Königin von Saba ist eine Zauberin. Sie befiehlt den Vögeln. Wenn sie das
ausgerechnet auf dem Vorhof zum Heiligtum unseres Schöpfers tut, dann trotzt
sie Ihm und beleidigt uns. Daß deine Gemahlin nicht zu unserer Rasse gehört,
ist für Jahwe bereits eine schwere Kränkung. Daß du jedoch dieser
Götzenanbeterin aus einem Land der Unzucht erlaubst, sich so aufzuführen, das
ist eine Sünde, für die Israel mit Blut und Tränen büßen muß. Weise sie aus dem
Land und tu Buße. Flehe Gott um Nachsicht an, denn sonst kommt Unglück über
dein Volk.»
Zadok redete laut und
gestenreich. Salomo bedauerte es nicht, ihn zum Hohenpriester bestimmt zu
haben. Er freute sich, daß der Besuch der Königin von Saba bei diesem alten
Ränkeschmied ein eingeschlafenes Feuer geweckt hatte. Endlich versuchte er,
sich seines Amtes würdig zu erweisen.
Der König
ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, sie besänftigte die Gemüter und
beschwichtigte die Ängste.
«Zadok, du
spielst deine Rolle gut, aber Gott sei Dank regiert der Hohepriester nicht das
Reich. Er hat das Glück, in der Welt des Tempels zu leben, und darf über das
hinwegsehen, was außerhalb des Vorhofs und der Tempelmauer vor sich geht. Als
Israels König jedoch muß ich das Unten mit dem Oben vermählen. Es ist der HERR,
der uns die Königin von Saba geschickt hat. Es ist ihr Gold, das uns den
Tempelbau ermöglicht hat. Möge sie noch lange unter uns weilen! Ihre
Anwesenheit ist die kostbarste Unterstützung für einen Frieden, den wir seit
zehn Jahren genießen. Aber man muß weiter daran bauen. Bete du für Israel,
Zadok, und laß mich regieren.»
«Ein König,
den die Liebe blind macht», dachte Zadok, «ist der noch in der Lage zu
herrschen?»
Meister und Gesellen hatten die
Baustelle der Säulenvorhalle verlassen, wo Salomo Gericht halten sollte. Die
hatte man an den großen Saal angefügt, in dem Botschafter empfangen wurden.
Hiram blieb allein zurück und widmete sich seiner Aufgabe. Ein dunkles Gefühl
sagte ihm, daß er keine Zeit zu verlieren hatte. Der Drang, etwas zu schaffen,
war so stark, daß er sich überhaupt keine Ruhe mehr gönnte. Täfelungen aus
Zedernholz vom Boden bis zur Decke machten die Gerichtshalle feierlich und
streng. Der Baumeister arbeitete eigenhändig am Schnitzwerk des Throns aus
Elfenbein und Gold, dessen Armlehnen wie Löwen geformt waren.
Es war schon
lange Nacht, als der Oberbaumeister Holzhammer und Stechbeitel beiseite legte.
Er würde zwei, drei Stunden im Schutz der Säulenreihe schlafen, dann
zurückkommen und die Baustelle beim ersten Morgengrauen öffnen.
Die Fassade der zukünftigen
Gerichtshalle, die in das dunkelblaue Licht des Vollmondes gebadet lag, bestand
aus einem langgezogenen Vorbau, den gewaltige Pfeiler ähnlich denen des
Osiris-Tempels in Abydos stützten. Rechts vom gepflasterten Hof begann der jähe
Hang, der sich nach Jerusalem hinabzog. Hier mußten große Stufen
herausgeschlagen werden, damit die Kläger, die vom König Gerechtigkeit
forderten, bequemer hochsteigen konnten.
«Es ist spät,
Meister Hiram.»
Der
Baumeister erkannte die elegante Gestalt der Königin von Saba, die an einen
Pfeiler gelehnt die Sonne der Nacht betrachtete.
«Majestät…
aber wie…»
«Ich gehe gern
allein unter dem Sternenzelt spazieren. Meine Untertanen schlafen. Ihre Seelen
ruhen friedlich. Da erscheint einem die Bürde des Königtums nicht mehr so
schwer. Ich bitte den Himmel, mich zu inspirieren und zu leiten.»
Hiram hatte
nichts als eine Schürze aus abgenutztem Leder an. Seine Hände, seine Arme, sein
Oberkörper waren von der Tagesarbeit verdreckt. Niemand hätte ihn von einem
einfachen Arbeiter unterscheiden können, wenn da nicht die Kopfhaltung eines
Mannes gewesen wäre, der das Befehlen gewohnt war.
«Von wo
kommst du, Meister Hiram? Was ist dein Vaterland?»
«Diese
Baustelle ist mein Vaterland. Ich komme von einem vollendeten Werk und gehe zum
nächsten, das fertiggestellt
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