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Der Tempel zu Jerusalem

Der Tempel zu Jerusalem

Titel: Der Tempel zu Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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dich nicht. Aber ein König darf nicht zulassen, daß ihm im Inneren
seines eigenen Landes eine andere Macht entgegensteht.»
    «Das ist
nicht meine Absicht», wehrte sich Hiram.
    «Das zählt
nicht, nur die Wirklichkeit zählt.»
    «Begreifst du
denn nicht, daß ich dieses Land nach dem Abbild Ägyptens erbaut habe? Durch
dieses Werk, das dem Ende entgegengeht, wirst du dank meiner Bruderschaft zum
Pharao Israels.»
    «Das ist mir klar, aber du
hast gehandelt, ohne mich zu fragen. Deine Bruderschaft ist ohne mein Wissen
gewachsen.
    Demnächst
ergreift dich ein Machtrausch, und dem kannst du dann nicht widerstehen.»
    «Da kennst du
mich schlecht, Majestät.»
    «Ich muß dich
vor dir selbst schützen.»
    «Wenn du
nicht König wärst…»
    «Hättest du
Lust, mich zu schlagen, um deine Wut zu stillen? Denk nach, Meister Hiram. Du
weißt, daß ich recht habe. Falls du für die Größe meines Reiches gearbeitet
hast, dann übergib mir jetzt die Schlüssel deiner Bruderschaft.»
    «Niemals.»
    Hiram verließ
den Tempel, denn er konnte sich nicht länger beherrschen. Diese Reaktion hatte
Salomo vorausgesehen. Es war unumgänglich, noch einen Nachstoß zu führen. Der
König mußte sich gegen den Mann stellen, den er am meisten bewunderte, und
dadurch Israel retten.
     
     
    Hiram blieb nur noch ein
Ausweg: Er mußte das Land verlassen und unverzüglich nach Ägypten zurückkehren.
Das Blut rann ihm hitzig in den Adern. So kurz vor dem Ziel noch zu scheitern,
weil sich ein König in einen Gewaltherrscher verwandelte… Vor allem aber mußte
er die Meister, Gesellen und Lehrlinge entlassen, denn sie sollten Salomos
Rache entgehen.
    Vor dem
Eingang zur Höhle stand ein weiß-rotes Zelt. Eine der Zeltklappen war
hochgeschlagen. Ein Abgesandter des Pharaos saß auf einem Klappstuhl.
    «Dein Hund
wollte nicht aufhören zu bellen, als ich mich hier niedergelassen habe.»
    «Wo ist er?»
    «Hinter mir.
Er schläft. Er hat begriffen, daß ich als Freund komme.»
    «Welchen
Auftrag hat man dir mitgegeben?»
    «Keinen. Ich
handele in eigenem Auftrag. Siamun liegt im Sterben. Der Pharao kann dich nicht
mehr schützen.»
    Anup kam aus
dem Zelt und wollte gestreichelt werden.
    «Mich
beschützen?»
    «Der Wesir
und die höhere Verwaltung halten dich für einen Verräter. Kehre nicht nach
Ägypten zurück. Man würde dich dort verhaften und aburteilen. Wir werden uns
nie mehr wiedersehen. Ich möchte nicht über dich richten, denn ich achte dich.»
    Benommen sah Hiram zu, wie
der ägyptische Abgesandte sein Zelt abbaute, es zusammenfaltete, auf dem Rücken
seines Dromedars verstaute und sich entfernte.
    Ein
Ausgestoßener… So weit war es mit dem Baumeister von Jahwes Tempel gekommen. In
Israel wurde er gejagt, Ägypten wollte ihn nicht mehr haben. Sein Land und sein
zweites Heimatland wiesen ihn gleichermaßen aus. Das Verlangen, das er bislang
unterdrückt hatte, packte ihn wie ein Sommergewitter, das ausgetrocknete Wadis
mit rauschendem Wasser füllt.
     
     
    Hiram und Balkis spazierten
durch die berühmten Gärten von Jericho unweit der Mündung des Jordan. Wenn der
Winter Israel zu Eis erstarren ließ, war es in diesem Teil des Landes noch
immer angenehm mild. Hier kam der Frühling eher als anderswo. Hier reifte das
Obst rascher, wurde dick und saftig. In dieser Stadt der Palmen, an deren
Stämmen der Saft herunterrann, eröffnete sich der Oberbaumeister, der den
ganzen Weg von Jerusalem geschwiegen hatte, endlich der Königin von Saba.
    «Dieses Land
ist eine Pracht.»
    «Dank dir,
Hiram, konnte ich es kennenlernen.»
    «Es ist das
Abbild einer glücklichen und verheißungsvollen Liebe.»
    Balkis dachte
daran, wie Hiram in aller Morgenfrühe auf einem braunen, temperamentvollen
Hengst bei ihr aufgetaucht war. Wortlos hatte er der Königin ein schwarzes
Pferd angeboten. Sie war, ohne zu zögern, aufgestiegen und im Galopp hinter dem
Baumeister hergeritten. Gemeinsam hatten sie sich an der Schnelligkeit und der
lieblichen Luft berauscht. Gemeinsam hatten sie diesen Garten Eden erreicht.
    «Bleiben wir
hier?» fragte die Königin.
    «In meinem
Alter träumt man nicht mehr. Laß uns weiterreiten.»
    Die Pferde
liefen in Richtung des Toten Meeres. Als sie eine Erlenreihe hinter sich
gelassen hatten, gelangten die Königin und der Baumeister in eine drückende
Luft, die das Atmen schwermachte; sie hatten eine beinahe leblose, trostlose
Landschaft erreicht. Unerträglich gleißendes Licht prallte auf nackte Felsen,
die eine riesige

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