Der Tempel zu Jerusalem
nicht. Jage die Fremdlinge aus der Stadt, deren Zahl immer größer wird.
Und schaffe dir so schnell wie möglich diesen Ägypter Elihap vom Hals, er ist
ein schlechter Ratgeber.»
«Versetzt der
Bau eines Tempels die Geistlichkeit in Unruhe?»
Der greise
Abjatar setzte sich mit dem Rücken zur Sonne auf den Rand der Terrasse.
«Das würde
sie gewiß nicht zugeben! Dein Vater hat sie in achtundzwanzig Klassen
unterteilt, die sich beim Gottesdienst ablösen. Ein Tempel würde sie zwingen,
sich in Jerusalem neu zu formieren, ihre Provinzen zu verlassen! Nichts darf sich
verändern. Israels Stärke ist seine Vergangenheit. Die zu zerstören hieße, den
Willen Gottes zu verraten.»
Salomo
bewunderte den Felsen, der Jerusalem beherrschte.
«Und du,
Abjatar, kennst du diesen Willen?»
«Ich habe die
Orakel befragt!»
«Das ist
einer der Fehler, die ich dir zum Vorwurf mache. Ein Hohepriester hat sich mit
dem Gottesdienst zu beschäftigen, nicht mit Magie. Dein Nachfolger Zadok
verhält sich da klüger.»
Abjatar staunte über den
anklagenden Ton.
«Aber es gibt
noch Schlimmeres», fuhr Salomo fort. «Ich weiß, daß du meinen Feind Adonais
unterstützt hast, den ich leider hinrichten lassen mußte, aber das war
unerläßlich.»
Der Greis
schwankte, und Salomo fing ihn auf, daß er nicht fiel.
«Abjatar,
darauf steht der Tod. Aufgrund deines hohen Alters begnüge ich mich jedoch
damit, dich in ein Dorf nördlich von Jerusalem zu verbannen, das du nie mehr
verlassen darfst. Falls du nicht gehorchst, hast du keinerlei Nachsicht zu
erwarten.»
Der greise Hohepriester stand
ohne Hilfe auf.
Mit dem Blick
eines verstörten Kindes sah er einen Herrscher in der Blüte seiner Jugend, der
die Welt von gestern mit hartem Besen hinwegfegte und ihn vernichtete, als
hätte er ihn verbrannt. Salomo jedoch zeigte keinerlei Feindseligkeit. Seine
Miene war so ruhig und heiter, als hätte er ein Lied auf die sanften Farben des
Herbstes gesungen.
«Zadok, mein
Nachfolger… hat er nicht versucht, den König davon zu überzeugen, daß dieser in
die Irre geht?»
«Zadok ist
selbst ein älterer Mann», erinnerte ihn Salomo. «Er ist vorsichtig. Wenn er
sich gegen einen Herrscher gestellt hätte, den er eigenhändig gekrönt hat, wie
würde Gott ihn wohl richten? Die Priester haben dabei nicht viel zu sagen. Es
ist Aufgabe des Königs, sein Volk zum Licht zu führen. Hat dein Vater dich das
nicht gelehrt?»
Abjatar ließ
den Kopf hängen.
Salomo
betrachtete ihn, als er die Terrasse verließ, und wußte, daß er den Greis nie
wiedersehen würde.
Kapitel 11
Nachdem
Pharao Siamun im Allerheiligsten des
Tempels von Tanis die göttliche Kraft angerufen hatte, sammelte er sich
innerlich. Allein das verborgene Licht an diesem geheimnisvollen Ort, den nur
der ägyptische König betreten durfte, beeinflußte seine Taten an diesem Tag, an
dem er einen wichtigen Entschluß fassen mußte.
Hinter seinem
Sandalenträger überquerte er den großen, nach oben hin offenen Hof. Der Himmel
war bedeckt, und man konnte das Mittelländische Meer riechen. Ein Streitwagen
brachte Siamun vom Tempel in den Palast. Er genoß aufs neue die Schönheit von
Tanis, das zahlreiche Kanäle durchzogen, die von Bäumen und Gärten gesäumt
wurden. Die Baumeister hatten sich von Theben, der Prächtigen, inspirieren
lassen und hatten im Norden eine Stadt mit majestätischen Herrenhäusern gebaut,
in denen es sich gut leben ließ.
Als der
Pharao den Ratssaal betrat, erhoben sich der Hohepriester Amuns, der Oberste
der Geistlichkeit, und der oberste Heerführer und begrüßten den Herrn Ägyptens.
Letzterer nahm auf einem Thron aus vergoldetem Holz Platz, dessen Rückenlehne
eine Krönungsszene zierte.
«Meine Freunde»,
so hob er an, «wie ich aus sicherer Quelle erfahren habe, hat sich König Salomo
entschlossen, auf dem Felsen von Jerusalem einen mächtigen Tempel zu erbauen.»
«Abwegig»,
meinte der Hohepriester. «Israel ist ein bitterarmes Land, es besitzt nicht die
nötigen Mittel, um ein solches Vorhaben in die Tat umzusetzen.»
«Weit
gefehlt. David hat Reichtümer angesammelt, die sein Sohn dazu verwenden kann.»
«Warum will
er uns nacheifern? Die Hebräer sind doch Nomaden», meinte der Priester. «Die
brauchen kein großes Heiligtum, um ihren Gott zu beherbergen.»
«Salomo hat
begriffen, daß er bauen muß, wenn er ein großes Königreich schaffen will»,
erläuterte der Pharao. «Wir unterstützen ihn dabei.»
Der General
machte
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