Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tempel

Der Tempel

Titel: Der Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Reilly
Vom Netzwerk:
unmittelbar nach. Wir standen auf einer schmalen, kopfsteingepflasterten Straße. Zu beiden Seiten zogen sich undurchdringliche graue Mauern die Gasse entlang.
    Ich machte mich eilig daran, die Steinplatte wieder einzusetzen, da ertönte plötzlich aus dem Tunnel ein Musketenschuss. Eine Kugel prallte gegen den Rand des Lochs und verfehlte nur knapp meine Finger.
    »Lass nur. Komm weiter, hier entlang«, meinte Renco und zog mich die winzige Straße hinab.
    Die Mauern zu beiden Seiten wurden zu ununterscheidbaren grauen, verwischten Flecken, während wir förmlich durch die gewundenen Gassen Cuscos flogen, wobei uns Hernandos Soldaten dicht auf den Fersen waren.
    Immer wieder sahen wir Brigaden spanischer Truppen durch die Straßen zu den Brustwehren jagen.
    Außerdem sahen wir – und ich schäme mich, das zu sagen – Pfähle, die denen draußen vor den Stadtmauern nicht unähnlich waren. Sie waren auf jedem Platz der Stadt aufgestellt – Reihe um Reihe von Pfählen, auf denen die schrecklich verstümmelten Leichen gefangener Inkakrieger aufgespießt waren. Man hatte ihnen Hände, Kopf und Geschlechtsteile abgehackt.
    Auf einem solchen Platz entdeckte Renco einen Langbogen der Inka bei einer der zerstückelten Leichen. Er nahm ihn an sich, dazu den Köcher voller Pfeile auf dem Boden daneben, dann tauchte er zurück in das Labyrinth aus Gässchen. Ich folgte ihm dicht auf den Fersen, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren.
    Schließlich bog Renco abrupt ab und betrat ein Gebäude. Es war ein flaches Steinhaus, bemerkenswert solide gebaut. Tatsächlich dermaßen solide, dass es aussah wie eine Festung.
    Wir durchquerten mehrere Räume, ehe wir eine Steintreppe hinabstiegen und eine sehr große unterirdische Halle erreichten.
    Die Halle war in zwei Ebenen geteilt – eine weite untere Ebene sowie einen oberen Absatz, der wenig mehr als eine Galerie darstellte und um die gesamte Halle verlief.
    Aber es war das untere Stockwerk, das meine Aufmerksamkeit erregte.
    In dem schmutzigen Fußboden dieser Halle befanden sich beinahe einhundert Löcher – Gruben mit einem Netzwerk aus steinernen Brücken darüber. In aufkeimender Furcht wurde mir klar, wo wir uns befanden.
    Wir waren in einem Inkagefängnis.
    Mir fiel ein, dass die Inka die Metallverarbeitung noch nicht entdeckt hatten, also keine Stäbe zum Bau von Käfigen verwenden konnten. Gruben waren ihre Antwort auf dieses Dilemma.
    Ich sah zu der Galerie auf, die den Boden überblickte. Es war ein Laufsteg für Wächter, auf dem die Gefängniswärter patrouillierten, während sie auf die Gefangenen hinabschauten.
    Ohne zu zögern, marschierte Renco auf eine der schmalen Steinbrücken hinaus und sah in die Löcher darunter hinab. Gejammer und Geschrei ertönte von dort. Das waren die gequälten, verhungernden Gefangenen, die in ihren Gruben zurückgelassen worden waren, nachdem die Belagerung vor einer Woche begonnen hatte.
    Über einer der Gruben blieb Renco stehen. Ich folgte ihm auf die Steinbrücke hinaus, schaute in das schmutzige Loch hinab – und ich schwöre, das habe ich gesehen:
    Die Grube selbst musste wenigstens fünf Schritte tief sein und hatte nackte Erdwände. Eine Flucht war unmöglich. Am Grund saß ein Mann von durchschnittlicher Größe, der dreckig war und stank. Obgleich mager, wirkte er nicht bedrückt, auch schrie er nicht wie die übrigen dieser armen, vergessenen Wesen in der Gefängnishalle. Er saß einfach da, den Rücken gegen die Wand der Grube gelehnt, und wirkte beinahe entspannt und sorglos. Seine Gelassenheit – diese mutwillige Kühle aller Verbrecher auf der Welt – verursachte mir eine Gänsehaut. Ich überlegte, was Renco wohl von einem solchen Menschen wollte.
    »Bassario«, sagte Renco.
    Der Verbrecher lächelte. »Nun, wenn das nicht der gute Prinz Renco ist …«
    » Ich benötige deine Hilfe«, sagte Renco unverblümt.
    Der Gefangene fand das offenbar komisch. »Ich kann mir nicht vorstellen, was der gute Prinz mit meinen Fertigkeiten wohl anfangen könnte.« Der Verbrecher lachte. »Was ist los, Renco? Denkst du jetzt, da dein Königreich in Trümmern liegt, daran, ein Leben als Verbrecher aufzunehmen?«
    Renco schaute zum Eingang des unterirdischen Saals zurück, ob die Spanier kämen. Ich teilte seine Besorgnis. Wir waren bereits zu lang in diesem Kerker gewesen.
    »Ich werde dich nur noch einmal fragen, Bassario«, sagte Renco fest. »Wenn du mir helfen willst, werde ich dich hier herausholen. Wenn nicht, werde ich

Weitere Kostenlose Bücher