Der Tempel
dich in dieser Grube sterben lassen.«
»Eine interessante Wahl«, bemerkte der Verbrecher.
»Nun?«
Bassario stand auf. »Hol mich aus diesem Loch heraus.«
Sogleich ergriff Renco eine hölzerne Leiter, die an einer Wand lehnte.
Ich meinerseits war besorgt wegen Hernando und seiner Männer. Sie konnten jeden Augenblick eintreffen und Renco hatte nichts Besseres zu tun, als mit einem Verurteilten zu schachern! Rasch eilte ich zu der Tür hinüber, durch die wir die Gefängnishalle betreten hatten. Ich spähte um den steinernen Türrahmen …
… und sah den düsteren, dämonengleichen Hernando Pizarro die Treppe hinabkommen, genau auf mich zu!
Bei diesem Anblick gefror mir das Blut in den Adern – die wilden braunen Augen, der hakenförmige schwarze Schnurrbart, der schüttere schwarze Vollbart, der seit Wochen nicht mehr gepflegt worden war.
Ich fuhr im Türrahmen herum und rannte los. »Renco!«
Renco hatte gerade die Leiter in Bassarios Grube hinabgelassen. Er drehte sich um und sah den ersten spanischen Soldaten hinter mir in die Gefängnishalle jagen.
Renco vollführte mit der Hand eine rasche Bewegung und im Nu hatte er den Langbogen gehoben und einen Pfeil bis ans Ohr zurückgezogen. Er ließ ihn los. Der Pfeil sauste direkt auf meinen Kopf zu. Ich duckte mich und er traf den Soldaten hinter mir in die Stirn. Die Füße flogen unter ihm weg und er wurde zu Boden geschleudert, wo er in sich zusammensackte.
Ich rannte hinaus auf das Netzwerk von Steinbrücken, lief eilig über die fauligen Kerkergruben.
Weitere Konquistadoren betraten die Gefängnishalle, darunter Hernando, und feuerten wild mit ihren Musketen in unsere Richtung.
Inzwischen war Bassario aus der Grube heraus und jetzt rannten er und Renco über den weiten Abschnitt des schmutzigen Fußbodens auf der anderen Seite der Gefängnishalle.
»Alberto! Hier entlang!«, rief Renco und zeigte auf die breite, steinerne Türöffnung an diesem Ende des Kerkers.
Ich sah die Öffnung am anderen Ende der Halle, den soliden, quadratischen Steinblock, der an einem flaschenzugähnlichen Mechanismus darüber schwebte. Es war kein großer Block – grob geschätzt etwa wie ein Mann – und er hatte genau dieselbe Größe und Form wie die Türöffnung darunter. Zwei fest gespannte Seile hielten ihn. Jedes Seil wurde von Gegengewichten gesichert, sodass es für die Gefängniswächter, die auf der erhöhten Galerie standen, leichter war, den Block in die Öffnung abzusenken oder ihn herauszuheben.
Ich rannte zu dieser Tür.
Da spürte ich, wie mir ein schreckliches Gewicht in den Rücken schlug und mich nach vorn warf. Schwer fiel ich auf eine der schmalen Steinbrücken und begriff zu meiner Überraschung, dass mich ein spanischer Soldat von hinten in den Rücken gestoßen hatte!
Er kniete breitbeinig über mir, zog seinen Dolch und wollte mich gerade erstechen, da traf ihn plötzlich ein Pfeil in die Brust. Der Pfeil bohrte sich mit solcher Wucht in seinen Körper, dass es ihm den spitzen, stählernen Helm vom Kopf riss und der Mann von der Brücke in die Grube unter uns geschleudert wurde.
Ich blickte ihm nach und sah, dass sich vier verdreckte Gefangene auf ihn stürzten. Dann verlor ich den unseligen Soldaten aus dem Blick, doch einen Moment später vernahm ich ein Gekreisch des äußersten Entsetzens. Die verhungernden Gefangenen in der Grube fraßen ihn bei lebendigem Leibe auf!
Ich schaute gerade rechtzeitig auf, um Renco neben mir zu Boden gleiten zu sehen.
»Komm schon!«, sagte er, packte mich am Arm und zog mich auf die Beine.
Ich stand auf und bemerkte, dass Bassario die Türöffnung am anderen Ende erreicht hatte.
Rings um uns her ertönte Musketenfeuer. Die Kugeln schlugen orangefarbene Funken, als sie von der Steinbrücke unter uns abprallten.
Genau da traf ein verirrtes Geschoss eines der Seile, die den Felsbrocken über der steinernen Türöffnung am anderen Ende der Halle in der Schwebe hielten.
Mit einem scharfen Sproinnng riss das Seil …
… und der Brocken senkte sich in die Türöffnung hinab!
Bassario blickte entsetzt hinauf, dann zu Renco.
»Nein!«, rief Renco beim Anblick des sich bewegenden Felsbrockens.
Die Türöffnung – vierzig Schritte von uns entfernt und der einzige Weg aus dem Kerker – war dabei, sich fest zu schließen!
Ich schätzte die Entfernung ab, die Geschwindigkeit, mit der der Brocken knirschend in die quadratische Öffnung glitt.
Wir konnten es nicht mehr schaffen.
Die Tür war zu weit
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