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Der Tempel

Der Tempel

Titel: Der Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Reilly
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einen weiteren Satz. Dieses Mal streckte sie die großen, sichelgleichen Klauen nach der Frau aus und erwischte sie am Saum ihres Mantels. Zu meinem Entsetzen spürte ich, dass sich der Mantel fest spannte.
    »Nein!« , schrie die Frau, die merkte, wie das Gewicht der Katze sie hinabzog.
    »O Herr!«, ächzte ich.
    In diesem Moment riss die Katze heftig am Umhang der Frau. Sie umklammerte meine nasse Hand fester, aber es hatte keinen Zweck: Die große Katze war zu schwer, zu stark.
    Mit einem letzten Aufschrei entglitt mir die Frau und rutschte, das Kind in den Armen, vom Rand des Dachs, aus meinem Blick.
    Da tat ich das schier Undenkbare.
    Ich sprang ihr nach.

    ***

    Bis zum heutigen Tag weiß ich nicht, weshalb ich das getan habe.
    Vielleicht hatte mich die Art und Weise, wie sie ihren Sohn festhielt, dazu gebracht. Oder es war der Ausdruck nackter Angst auf ihrem wunderschönen Gesicht.
    Oder vielleicht nur ihr wunderschönes Gesicht.
    Ich weiß es nicht.

    Ziemlich unheroisch landete ich in einer Pfütze vor der Zitadelle. Das schlammige braune Wasser spritzte mir übers Gesicht und blendete mich.
    Ich wischte es mir aus den Augen – und sah sogleich nicht weniger als sieben Rapas in einem engen Halbkreis um mich stehen, die mich mit ihren kalten gelben Augen anstarrten.
    Das Herz pochte mir laut im Schädel. Was ich jetzt tun sollte, wusste ich wahrlich nicht.
    Die Frau und der Junge waren dicht bei mir. Ich stellte mich vor sie und schrie die Phalanx der Ungeheuer vor uns wild an.
    »Verschwindet, sage ich! Verschwindet!«
    Ich zog einen Pfeil aus dem Köcher auf meinem Rücken und ließ ihn wie eine Peitsche vor den Gesichtern der riesigen Katzen hin und her sausen.
    Den Rapas war mein bemitleidenswerter Akt von Heldentum offenbar ziemlich gleichgültig.
    Sie zogen den Kreis enger um uns.
    Um die Wahrheit zu sagen: Wenn diese satanischen Kreaturen vom Dach der Zitadelle aus groß gewirkt hatten, so waren sie aus der Nähe gesehen gewaltig. Dunkel, schwarz und kraftvoll.
    Da ließ der mir am nächsten stehende Rapa die Vorderpfote vorschnellen und riss die scharfe Pfeilspitze herunter. Daraufhin senkte die große Kreatur knurrend den Kopf, spannte die Muskeln zum Sprung, und dann …
    … fiel etwas laut klatschend in eine Schlammpfütze rechts von mir.
    Ich drehte den Kopf, um nachsehen, was es war. Runzelte die Stirn.
    Es war Rencos Götzenbild.
    Meine Gedanken wirbelten wie eine Windmühle umher. Was tat Rencos Götzenbild hier unten? Warum warf jemand es gerade jetzt in den Schlamm hinab?
    Ich schaute hoch und erblickte Renco, der sich über den Rand des Zitadellendachs beugte. Er hatte das Götzenbild zu mir herabgeworfen.
    Da geschah es.
    Ich erstarrte.
    Einen solchen Klang hatte ich noch nie zuvor in meinem Leben vernommen.
    Er war nur leise, aber absolut durchdringend. Er durchschnitt die Luft wie ein Messer, übertönte sogar das Geräusch des fallenden Regens.
    Der Klang ähnelte dem Laut, den ein Glöckchen von sich gibt, wenn man es anschlägt. Eine Art schrilles Bimmeln.
    Bimmmmmmm.
    Die Rapas hörten es gleichfalls. Der eine Rapa, der sich nur Augenblicke zuvor zum Angriff bereitgemacht hatte, stand jetzt einfach nur da und starrte mit benommener Verwunderung auf das Götzenbild, das halb untergetaucht in der braunen Pfütze neben mir lag.
    Und nun geschah das Seltsamste von allem.
    Das Rudel Rapas trat langsam den Rückzug an. Es wich vor dem Götzenbild zurück.
    »Alberto«, flüsterte Renco herab. »Bewege dich sehr langsam, hörst du! Sehr langsam. Heb das Götzenbild auf und geh zum Eingang! Ich sorge dafür, dass dich jemand einlässt.«
    Ich gehorchte seinem Befehl.
    Ich hob das nasse Götzenbild auf. Dann drückten die Frau, das Kind und ich den Rücken fest an die runde Außenmauer der Zitadelle und schoben uns langsam bis zum Eingang vor.
    Die Rapas folgten uns vorsichtig in einiger Entfernung, in Bann geschlagen von dem melodiösen Lied des nassen Götzenbildes.
    Doch sie griffen nicht an.
    Ganz plötzlich wurde die große Steinplatte, die der Zitadelle als Eingangstür diente, beiseite geschoben und wir glitten hindurch, ich als Letzter. Nachdem der große Türstein zurückgeschoben worden war, fiel ich atemlos zu Boden, durchweicht, zitternd und äußerst erstaunt darüber, noch am Leben zu sein.

    ***

    Renco eilte uns vom Dach entgegen.
    »Lena!«, sagte er, als er die Frau erkannte. »Und Manu«, rief er und nahm den Knaben in die Arme.
    Völlig erschöpft lag ich auf dem Boden

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