Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tempel

Der Tempel

Titel: Der Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Reilly
Vom Netzwerk:
in den Hauptteil der Zitadelle zurück, wo ich mich auf einem Haufen aus aufgeschüttetem Gras niederlegte. Einige kleine Feuer brannten in den Ecken des Raums.
    Ich legte den Kopf aufs Heu, aber kaum hatte ich die Augen geschlossen – so kam es mir jedenfalls vor –, da spürte ich, wie mir jemand beharrlich auf die Schulter klopfte. Ich öffnete die Augen wieder und sah mich dem hässlichsten Gesicht gegenüber, das ich je in meinem Leben erblickt hatte.
    Ein alter Mann hatte sich über mich gebeugt und lächelte mich mit einem zahnlosen Grinsen an. Wie Borsten standen ihm die grauen Augenbrauen ab und Haarbüschel ragten ihm aus der Nase und den Ohren.
    » Sei gegrüßt, Goldesser«, sagte der uralte Kerl. »Ich habe gehört, was du für den jungen Prinz Renco getan hast. Du hast ihm bei seiner Flucht aus dem Käfig geholfen und dafür möchte ich dir meine tiefste Dankbarkeit aussprechen.«
    Ich sah mich in der Zitadelle um. Die Feuer waren erloschen, die Menschen, die zuvor geschäftig im Raum umhergehuscht waren, schwiegen jetzt und schliefen. Auch ich musste geschlafen haben, zumindest für kurze Zeit.
    »Oh«, meinte ich. »Schon gut, gern geschehen.«
    Der alte Mann zeigte mit einem knochigen Finger auf meine Brust und nickte wissend. »Gib Acht, Goldesser. Renco ist nicht der Einzige, dessen Schicksal von diesem Götzenbild abhängt, weißt du.«
    » Das verstehe ich nicht.«
    »Nun, Renco wurde seine Rolle als Hüter des ›Geistes des Volkes‹ direkt vom Orakel in Pachacámac zugeteilt.« Der alte Mann lächelte wieder dieses zahnlose Grinsen. »Und dir gleichfalls.«
    Ich hatte vom Orakel in Pachacámac vernommen. Es war die ehrwürdige alte Frau, die den dortigen Tempelschrein bewachte. Den traditionellen Aufbewahrungsort für den » Geist des Volkes«.
    »Warum?«, fragte ich. »Was hat das Orakel über mich gesagt?«
    »Bald nach der Ankunft der Goldesser an unseren Gestaden hat das Orakel verkündet, dass unser Reich zusammenbrechen werde. Aber es hat auch vorausgesagt, dass unsere Seelen weiterleben würden, solange der ›Geist des Volkes‹ nicht in die Hände unserer Eroberer gerate. Aber es hat deutlich gemacht, dass nur ein Mann – nur ein bestimmter Mann – das Götzenbild in Sicherheit bringen könne.«
    »Renco.«
    »Genau. Doch seine vollständige Botschaft lautete so:

    Es wird eine Zeit kommen, da wird er erscheinen,
Ein Mann, ein Held, mit dem Zeichen der Sonne.
    Er wird den Mut haben zum Kampf mit großen Echsen,
Er wird das jinga haben,
Er wird sich der Hilfe tapferer Männer erfreuen,
Männer, die ihr Leben zu Ehren seiner edlen Sache geben,
Und er wird vom Himmel fallen, um unseren Geist zu retten.
    Er ist der Auserwählte. «

    » Der Auserwählte?«, fragte ich.
    »Das stimmt.«
    Ich überlegte, ob ich wohl unter die Kategorie des »tapferen Mannes« fiele, der sein Leben gäbe, um Renco zu helfen. Ich kam zu dem Entschluss, dass dies auf mich nicht zutraf.
    Dann grübelte ich über den Gebrauch des Wortes jinga durch das Orakel nach. Ich erinnerte mich, dass es eine sehr verehrte Eigenschaft in den Kulturen der Inka war. Es handelte sich dabei um jene seltene Kombination aus Gelassenheit, Ausgeglichenheit und Schnelligkeit – die Fähigkeit eines Mannes, sich katzengleich zu bewegen.
    Ich erinnerte mich unserer wagemutigen Flucht aus Cusco und daran, wie Renco ganz leicht von einem Dach zum nächsten gesprungen war; wie er an dem Seil hinabgeglitten und auf dem Rücken meines Pferdes gelandet war. Bewegte er sich mit der sicheren Anmut einer Katze? Zweifelsohne.
    »Was heißt das – er besitze den Mut, mit großen Echsen zu kämpfen?«, wollte ich wissen.
    »Als dreizehnjähriger Knabe«, erwiderte der alte Mann, »wurde Rencos Mutter beim Wasserholen an den Ufern ihres Flusses von einem Alligator in den Fluss gezerrt. Der kleine Renco war bei ihr, und als er sah, wie das Ungeheuer seine Mutter in den Fluss zog, sprang er hinter ihr ins Wasser und kämpfte mit dem hässlichen Untier, bis es sie losließ. Nicht viele Männer wären in den Strom gesprungen, um mit einer so furchterregenden Kreatur zu kämpfen. Noch weniger ein Knabe von dreizehn Jahren.«
    Ich schluckte.
    Von dieser Tat gewaltigen Mutes, die Renco als Knabe vollbracht hatte, war mir nichts bekannt gewesen. Ich wusste, dass er ein tapferer Mann war – aber so etwas? Nun ja, ich hätte das nie vollbringen können.
    Der alte Mann musste mir meine Gedanken vom Gesicht gelesen haben. Er klopfte mir erneut mit dem

Weitere Kostenlose Bücher