Der Tempelmord
sich schon als Berater des dicken Flötenspielers bei seinen Staatsgeschäften. Es gab keinen Zweifel, daß er noch eine große Zukunft vor sich hatte. Nur von Samu sollte er sich fernhalten. Ihr Stern würde bald verblassen.
Philippos war sicher, daß ein einziges falsches Wort von der Priesterin im Moment ausreichen mochte, um zu ihrer Verbannung oder gar zu Schlimmerem zu führen.
Der Arzt blickte zu dem Nubier, der neben ihm auf einem Stein saß und nachdenklich zum Meer hinabschaute. Wenn der König oder Potheinos wünschten, daß jemand verschwinden sollte, dann wäre er der Vollstrecker ihrer Befehle. Philippos mochte den Mann nicht sonderlich. Zu frisch war seine Erinnerung daran, daß der hünenhafte Leibwächter ihn in Italien ganz oben auf seiner Todesliste stehen hatte. Trotzdem wäre es klug, wenn er diese Zeit einfach vergessen würde. Es war wichtig, Batis zum Freund zu haben, zu wissen, was er dachte, wen er mochte und wen nicht.
Die Kommentare einiger Hofdamen hatten Philippos auf die Idee gebracht, sich an diesem Nachmittag mit dem Nubier zu treffen. Angeblich verfügte er über ganz akzeptable Qualitäten als Dichter. Natürlich war sich der Grieche im klaren darüber, daß Batis die Damen wahrscheinlich vor allem auf anderem Gebiet beeindruckt hatte, denn die Geschichten über seine Liebesaffären bei Hof waren Legion. Selbst zu Samu sollte der Leibwächter angeblich einmal ein mehr als nur freundschaftliches Verhältnis unterhalten haben. Philippos konnte sich allerdings nicht vorstellen, daß an diesen Gerüchten auch nur ein Körnchen Wahrheit war. Die Isispriesterin war viel zu kalt und unnahbar, um sich auf so etwas wie eine Romanze einlassen zu können. Auch wenn sie, zugegebenermaßen, recht hübsch war ...
Philippos musterte den Nubier verstohlen. Schmunzelnd überlegte er, daß durch die zahlreichen Liebschaften des Kriegers das Wort Leibwächter eine völlig neue Bedeutung bekam.
»Du mußt mir mehr über sie erzählen, wenn ich dir helfen soll«, murmelte Batis nachdenklich. »Ich bekomme kein richtiges Bild von ihr. Vielleicht wäre es auch klug, wenn du nicht auf Daphne anspielst, aber das mußt du wissen.«
Philippos räusperte sich verlegen. Er sollte sich wieder auf den eigentlichen Grund ihres Treffens konzentrieren. Er hatte Batis gefragt, ob er ihm nicht helfen könne, ein Gedicht für Neaira zu verfassen. In den letzten beiden Tagen war er nicht dazu gekommen, sich davonzustehlen, um der Hetaire seine Aufwartung zu machen, und doch beherrschte die schöne Thrakerin jeden seiner Gedanken. Der Arzt hatte die Papyrusrolle aus dem Gemach von Buphagos gestohlen, um darauf seine Liebesschwüre niederzuschreiben, doch wollte es ihm einfach nicht gelingen, das, was er dachte, auch in Worte zu fassen.
»Weißt du, ihr Körper ist wie eine süße Frucht, Batis. Je mehr ich ihn genieße, desto mehr verlangt es mich auch nach ihm. Ihr zartes Haar, ihre süßen Lippen, ihre Haut so .«
Der Krieger klopfte sich ausgelassen auf die Schenkel. »Na, das hört sich doch schon ganz gut an. Warum schreibst du ihr das nicht?«
Philippos seufzte. »Das geht nicht. Es ist ohne Anmut! Meinen Gedanken fehlt die Form. Ich muß sie in ein Versmaß bringen. Hast du denn nie die Dichter Alexandriens gelesen? Gerade die Poeten der Königsstadt sind berühmt dafür, ihren Versen ein wunderbares Gleichmaß zu geben, ohne daß dadurch der anmutige Fluß der Worte gehemmt würde.«
»Das ist doch Unsinn! Wie kannst du deiner Liebe solche Fesseln auflegen? Deine Worte müssen auf direktem Wege in ihr Herz gelangen. So betört man eine Frau! Du machst es dir zu schwer. Finde Bilder, die ihr schmeicheln! Vergleiche ihre Brüste mit Äpfeln, nenne ihren Mund eine Rose, besinge den Liebesquell, der zwischen ihren Schenkeln liegt, und sprich von den tausend Wonnen, die du in ihren Armen erlebt hast. Das gefällt jeder Frau.«
Philippos schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, ob das der rechte Weg ist. Ich meine . Diese Worte sind doch schon tausendmal gesagt. Ich möchte ihr etwas Neues schenken. Etwas, worin sie sich wiedererkennt und das sich nicht nach billiger Tavernenlyrik anhört. Verstehst du das?«
Batis kratzte sich am Kopf und gähnte gelangweilt. »Etwas Neues soll es also sein! Was hältst du von der Form des lyrischen Zwiegespräches? Erst schreibst du, was du deiner Angebeteten gerne sagen möchtest, und dann bringst du auch noch die Antwort, die dir dazu am liebsten wäre, in Versform. Das
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