Der Tempelmord
lassen.«
»Ich habe die gestohlenen Sachen auf seinem Zimmer gesehen. Thais hat sie sich nach seinem Tod genommen. Du mußt sie bei ihr gefunden haben, Potheinos. Hat es dich nicht gewundert, daß eine einfache Hetaire so kostbares Schminkgerät besaß?«
»Sie war die Auserwählte des Pharaos. Ich wußte nicht, ob es nicht vielleicht Geschenke des Neuen Osiris waren. Wir müssen Ptolemaios sofort die frohe Kunde überbringen. Dadurch, daß du diesen Diebstahl aufgeklärt hast, Philippos, erscheinen die Todesfälle der letzten Tage jetzt in einem völlig neuen Licht. Artemis hat nicht Frevler, sondern Diebe bestraft! Ja, in ihrer unendlichen Weisheit hat sie das Schicksal sogar so gelenkt, daß die gestohlenen Schätze zuletzt wieder in den Besitz der Königsfamilie gelangten. Wir sollten der Göttin ein Dankopfer dafür bringen, daß sie so unnachgiebig die Ungetreuen ausgemerzt hat!«
Philippos kratzte sich am Kopf. Die Lösung erschien ihm zu einfach. Auf der anderen Seite würde sein Ansehen bei Ptolemaios wachsen, wenn der Herrscher von Potheinos über die glückliche Wendung unterrichtet wurde. Der Arzt räusperte sich verlegen. »Du solltest nicht vergessen, zu erwähnen, daß Batis mir bei der Lösung dieses Mysteriums geholfen hat. Nur mit seiner Hilfe habe ich die Hintergründe dieses Verbrechens an seiner göttlichen Majestät aufklären können. Ohne deine scharfsinnigen Schlußfolgerungen in Frage zu stellen, möchte ich jedoch anmerken, daß es mir ein wenig seltsam erscheint, daß ein
Mann wie Buphagos ausgerechnet Schminkutensilien gestohlen hat. Was wollte er damit?«
»Du weißt doch, wie sehr er stets auf sein Äußeres bedacht war. Er hat sicher viel Geld für Schminkutensilien und Salben ausgegeben. Vielleicht hatte er auch überlegt, sich mit den Kleinodien die Gunst der Thais zurückzukaufen. Seit der Herrscher sie fast allabendlich in seine Gemächer gerufen hat, unterhielt sie nur noch sehr sporadischen Kontakt zu Buphagos. Aber wen wundert das? Schließlich hatte sie nun mehr Macht und Einfluß als ihr einstiger Gönner.«
»Ich bewundere deine Klugheit, Potheinos. Nichts bleibt deinem klaren Blick für die Tatsachen verborgen. Ich wünschte, ich könnte es dir darin gleichtun.«
Der Eunuch lächelte zufrieden. »Wenn du erst einmal so lange bei Hof überlebt hast wie ich, dann wird auch dein Blick für das Wesentliche geschärft sein. Doch nun laß uns den göttlichen Pharao aufsuchen. Er soll nicht länger auf die frohe Kunde warten müssen.«
Verwundert beobachtete Samu die Katze auf der Marmorbank. Das Tier hatte sich zu schütteln begonnen. Mit steifen Gliedern stand es dort und würgte, als habe es sich an seinem Fressen verschluckt. Dann erbrach die Katze sich, doch schien ihr dies keine Erleichterung zu verschaffen. Wieder begann sie zu würgen. Ihr Schwanz stand so steif wie ein Stock von ihrem Körper ab.
Die Priesterin überquerte den Hof, um nach dem Tier zu sehen. Fast hatte sie die Katze erreicht, als diese das Gleichgewicht verlor und von der Bank auf die Marmorplatten stürzte. Zu schwach, die Pfoten vorzustrecken, schlug sie mit dem Kopf zuerst auf den Boden auf und wand sich in immer heftiger werdenden Krämpfen.
Wieder erbrach sie sich. Es war schwarzer Auswurf, der mit frischem Blut durchsetzt war.
Die Priesterin mußte an die schwarzroten Tränen der sterbenden Hetaire denken und dann an die Vision mit den sieben Katzen. Sie hatten ihr Leben für die Herrin Isis gegeben. Das hieß ...
Mit einem Schreckensschrei auf den Lippen sprang Samu auf.
Kleopatra war die Tochter der Isis! Sie hatte die Vision bisher falsch gedeutet. Nicht für die Göttin, sondern für die Prinzessin hatten die Katzen ihr Leben gegeben! Wie von Furien gehetzt rannte die Priesterin über den Hof zum Gemach der Prinzessin. All die Ereignisse der letzten Tage ordneten sich in ihrem Kopf zu einem klaren Muster. Nicht dem Zorn der Göttin waren Buphagos und Thais zum Opfer gefallen. Sie waren ermordet worden. Samu wußte nicht, warum dies geschehen war, und sie hatte auch keine Vorstellung, wer für diese Taten verantwortlich sein mochte, doch eines war ihr klar. Das nächste Opfer würde Kleopatra sein!
Die Priesterin stieß die Tür zum Gemach der Prinzessin so heftig auf, daß sie krachend gegen die Wand schlug. Kleopatra und die Sklavin, die erneut begonnen hatte, die Frisur ihrer Herrin zu richten, drehten sich erschrocken um.
»Was .«
Samu wies auf den Elfenbeinstift in der Hand
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