Der Tempelmord
mich jetzt mit der Prinzessin allein.« Die Musikantinnen verbeugten sich kurz und zogen sich schweigend zurück.
»Was ist mit dir, Samu? Du bist so seltsam heute abend.«
Mit einem Seufzer ließ die Priesterin sich auf der Decke nieder. Sie wußte nicht, wie sie anfangen sollte. Mit der flachen Hand strich sie über den hellen Sand, so als sei er etwas Lebendiges. »Ich habe dir heute mittag gesagt, daß ich noch über ein paar Dinge mit dir reden müßte, Kleopatra ... Nun ist die Zeit gekommen. Schneller, als ich es erwartet hatte.«
»Wie meinst du das?«
»Es geht um Eskander und all die anderen Männer, die du noch kennenlernen wirst. Du mußt wissen, wie du dich vor Unannehmlichkeiten schützen kannst, ohne deshalb auf gewisse Freuden der Liebe verzichten zu müssen.«
Kleopatra lächelte. »Du willst mir erklären, was geschieht, wenn ich zum ersten Mal in den Armen eines Mannes liegen werde? Das hat Thais mir schon längst verraten. Sie war noch jünger als ich, als sie die Liebe kennenlernte. Von ihr weiß ich, was die Männer von einem Mädchen wollen und welche Macht man über sie erlangen kann. Ja, sie hat mir sogar erklärt, wie man vortäuschen kann, noch eine Jungfrau zu sein, falls dies aus irgendeinem Grund jemals erforderlich werden sollte.«
Samu schluckte. Daß die Hetaire und die Prinzessin so vertraut miteinander waren, hatte sie nicht geahnt.
»Weißt du, Samu, viele haben Thais nicht gemocht, weil sie durch ihre Schönheit so schnell so viel Einfluß auf meinen Vater gewonnen hat. Sie konnte arrogant und abweisend sein, wenn Männer ihr nicht gefielen, und manchmal hat sie sich einen Spaß daraus gemacht, einer Hofdame ihren Liebsten abzujagen, nur um ihn nach einer Nacht wieder zu vergessen. Wenige haben um Thais getrauert, als sie gestorben ist. Zu mir ist die Gespielin meines Vaters immer wie eine Schwester gewesen. Ich konnte mit ihr über alles reden, und sie hat mich vor allem viele Dinge über die Liebe gelehrt. Ich vermisse sie.«
»Hat sie dich auch gelehrt, wie du verhinderst, die Frucht des Mannes zu empfangen? Du weißt, so lange du nicht verheiratet bist, darfst du auf keinen Fall schwanger werden. Später spielt es dann keine Rolle mehr, ob du deinem Gatten das Kind eines Liebhabers als sein eigenes verkaufst.«
Kleopatra lächelte verlegen. »Mein Vater möchte, daß ich meinen jüngeren Bruder heirate. Er ist der Meinung, daß sich göttliches Blut nicht mit dem normaler Sterblicher vermischen sollte. Aber ich frage dich, was soll ich mit einem Siebenjährigen anfangen?«
Auch Samu lächelte jetzt. »Er ist doch ein Gott. Zum einen wird sicher noch einige Zeit vergehen, bis dein Vater euch verheiratet, zum anderen . Wunder geschehen. Dein Bruder gilt als Gott, wenn er Pharao wird. Niemand wird in Frage stellen, daß er dazu in der Lage ist, auch in jungen Jahren schon ein Kind zu zeugen. Wahrscheinlicher jedoch ist, daß dein eigener Vater sich dieser Aufgabe widmen wird. Hat er schon einmal versucht, dich zu verführen?«
Kleopatra war schlagartig ernst geworden. »Einmal«, flüsterte sie leise. »Doch war er zu betrunken, als daß etwas daraus geworden wäre. Sein Phallos wollte nicht hart werden und schließlich . « Die Prinzessin stockte. Sie suchte nach Worten.
Samu beugte sich vor und schloß Kleopatra in die Arme. »Es ist schon gut, meine Kleine.« Sie saßen lange still und lauschten auf der Meeresbrandung, bis Kleopatra schließlich leise fragte. »Er wird es wieder tun, nicht wahr, Samu?«
Die Priesterin nickte.
»Es ist nicht so, daß ich ihn hasse. Er war immer gut zu mir. Er ist großzügig und . Aber er ist so alt . Sein Atem stinkt, und er ist so . Ich weiß, daß ich ihm nicht immer entgehen werde. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis . Aber ich möchte nicht gleich beim ersten Mal in seinen Armen liegen. Kannst du das verstehen? Ich möchte mich ihm nicht schenken. Es soll ein junger Mann sein. Jemand, der zärtlich und leidenschaftlich ist. Ein Mann, der mich liebt und an mir nicht nur seine Lust befriedigen will.«
»Ich werde dir keine Vorhaltungen mehr machen, wenn du die Liebe eines anderen Mannes suchst. Doch Ptolemaios wird dich fragen, was geschehen ist. Er wird es bemerken, wenn du .«
»Thais hat mir gezeigt, was zu tun ist. Es gibt bei Fischen eine kleine Blase voller Blut. Wenn mein Vater mich rufen läßt, dann . In der Küche ist eine alte Sklavin, die ich ins Vertrauen gezogen habe. Sie sorgt dafür, daß immer ein frischer
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