Der Tempelmord
mochte das mitten in der Nacht sein? Ängstlich blickte sie sich nach einem Versteck um. Im hinteren Bereich des Gewölbes türmten sich Stoffballen und große Säcke, in denen wohl Gewürze gelagert wurden. Einen anderen Unterschlupf gab es hier nicht.
Quietschend öffnete sich das Tor der Lagerhalle. Hastig blies Samu die Öllampe aus und stellte sie auf einen der Tische.
Dann hastete sie zu den Säcken hinüber, um sich dort zu verstecken. Das Licht von Fackeln erschien im Lagerhaus.
Durch die offene Tür des Gewölbeanbaus konnte die Priesterin erkennen, wie eine ganze Gruppe von Männern hereinkam. Sie folgten dem langen Gang zwischen den Vorratsamphoren und kamen geradewegs auf den Gewölbebau zu. Erschrocken schlich Samu noch ein wenig weiter zwischen den Säcken zurück.
An der Spitze der Männer erkannte sie jetzt Elagabal und Hophra. Der Ägypter näherte sich ihr fast bis auf Armesweite und zerrte einige der schweren Säcke zur Seite, um dann auf einen eisernen Ring am Boden zu weisen. »Hier ist es, Männer. Hebt die Platte an.«
Zwei kräftige Gestalten traten vor, schoben eine kurze Holzstange durch den Eisenring und öffneten eine verborgene Falltür.
»Ihr wißt, was ihr zu tun habt!« Elagabal zeigte auf die schmale Steintreppe, die unter der Felsplatte zum Vorschein gekommen war. Einer der Fackelträger ging voran, dann folgten die anderen Männer. Es waren ausnahmslos junge, kräftig gebaute Kerle. Vermutlich Fischer und Hafenarbeiter, dachte Samu.
»Glaubst du, daß es richtig war, auf den Griechen zu hören?«
Elagabal spielte nervös mit den Fingern am Saum seiner Tunica. »Das Versteck hier ist gut. Noch nie hat es ein Römer betreten. Schenken wir diesem Söldner nicht zu viel Vertrauen.«
Hophra lächelte kalt. »Wer sagt, daß ich dem Griechen vertraue, Herr? Ich habe mir seine Fechtübungen gestern und heute angesehen. Er ist zweifellos ein brauchbarer Lehrer, der es versteht, Männer zu führen. Diese Qualitäten solltet Ihr Euch zunutze machen. Sein Rat, die Waffen schon jetzt an die Getreuen auszuteilen, war auch klug. Stellt Euch vor, es gäbe einen Verräter und dieses Lager würde von den Römern entdeckt. Wir hätten dann fast alle Schwerter auf einen Schlag verloren. Wenn wir die Männer hingegen jetzt schon bewaffnen, gibt es dieses Risiko nicht mehr, und sie können ihre Übungen statt mit Holzstöcken mit richtigen Schwertern absolvieren. Das ist gut für ihre Moral. Sie fühlen sich dann schon fast wie richtige Soldaten. Wenn der Aufstand geglückt ist, sollten wir allerdings darüber nachdenken, uns des Griechen zu entledigen. Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob wir ihm wirklich trauen können, Strategos. Für meinen Geschmack versteht er sich zu gut auf die römische Art zu kämpfen, ganz so, als sei er selbst einmal Legionär gewesen. Deshalb sollte er auf keinen Fall etwas von unserem besonderen Plan erfahren. Womöglich würde er sonst noch verhindern, daß der goldene Pfeil Melkarts den Tyrannen durchbohrt.«
Auf der Treppe erschienen jetzt Männer, die eingerollte Decken auf den Schultern trugen, die ganz so wie jene aussahen, auf die Samu einen kurzen Blick erhascht hatte, als man sie in der Sänfte am Vortag vom Hafen fortgebracht hatte. Das also war das Geheimnis des kretischen Schiffes gewesen! Es hatte außer Amphoren voller Olivenöl auch noch Waffen transportiert!
»Mir gehen immer wieder die Worte dieses Philippos durch den Kopf«, murmelte Elagabal. »Erinnerst du dich noch? Er hat behauptet, noch nie habe es eine Provinz geschafft, die Herrschaft der Römer wieder abzuschütteln. Glaubst du, es ist falsch, wenn wir uns gegen Marcus Antonius und Aulus Gabinius empören? Führen wir damit am Ende nur unseren eigenen Untergang herbei?«
»Worte!« Hophra schnaubte verächtlich. »Es sind die Herzen der Männer und der kühle Verstand ihres Anführers, die über den Erfolg einer Rebellion entscheiden. Unser Plan, Marcus Antonius in die Stadt zu locken, ist vollkommen. Er wird der Versuchung nicht widerstehen können. Wir können auch nicht mehr zurück. Ich habe ihm heute abend einen Botenreiter mit unserer Einladung geschickt. Seine Kolonne ist nur noch drei Tagesmärsche entfernt. Wir müssen auf jeden Fall verhindern, daß er mit seinen Fußsoldaten gemeinsam in die Stadt einzieht. Zusammen mit seinen tausend Mann würde die Garnison zu stark. Wir hätten dann keinerlei Aussicht auf Erfolg mehr. Schaffen wir es aber, ihn und seine Offiziere zu
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