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Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Titel: Der Teufel in Thannsüß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Mattgey
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verdrängte den intensiven Geruch nach Krankheit und Tod, der von Xaver Wrede ausging. Rechterhand rauschte der Pfarrhof an ihm vorbei.
    Dann verließ er Thannsüß. Er folgte dem Feldweg ins Tal. Dunkel zogen die Tannen vor den Fenstern vorüber. Er überquerte die hölzerne Brücke, die über den rechten Schmelzwasserfluss führte, und dann die weite Ebene. Schließlich bog er in den Weg ein, der durch den herbstlichen Mischwald steil ins Tal hinunter führte. Er kam an dem alten, überwucherten Brunnen vorbei, den er auf der Herfahrt fast übersehen hätte. Dann verließ er den Feldweg und bog nach links auf die Landstraße ab.
    Ein seltsames Gefühl kam über ihn, während er auf Bruch zusteuerte. Es war ein Gefühl, als könnte dies seine letzte Chance sein, Thannsüß für immer zu verlassen. Hinter ihm auf der Rücksitzbank begann Xaver Wrede plötzlich zu schreien. Erik fuhr herum und sah, dass Wredes Körper von Krämpfen geschüttelt wurde. Seine Schreie gingen in ein gurgelndes Röcheln über.
    „Stirb mir jetzt bloß nicht weg, Xaver“, murmelte Erik. Er drückte das Gaspedal bis zum Bodenblech durch.

Kapitel 29
     
    Zwanzig Minutenspäter überquerte er die Ortsgrenze von Bruch. Er raste am Wirtshaus „Zum Goldenen Hirschen“ vorbei , in dem er bei seiner Ankunft nach dem Weg gefragt hatte, blieb auf der Hauptstraße und erreichte nach kurzer Zeit den Marktplatz. Erik entdeckte den Brunnen und hielt darauf zu, einige kleine Geschäfte, ein Restaurant und das Rathaus flogen vor der Windschutzscheibe vorüber. Dann sah er die Praxis. Er parkte den Wagen mit quietschenden Reifen direkt vor dem Eingang und sprang heraus.
    Erik stieß die Eingangstür auf. Im Wartezimmer saßen einige Patienten. Sie starrten ihn erschrocken an. Ihm wurde bewusst, wie schlimm er aussehen musste. Eine Schwester saß hinter dem Empfangstresen und studierte einige Dokumente. Sie wirkte sehr sauber und sehr streng. Er baute sich vor ihr auf und räusperte sich. Als sie nicht reagierte, klopfte er mit der Hand auf den Tresen. Sie blickte kurz auf, ehe sie sich wieder ihren Dokumenten zuwandte. Seine Finger trommelten ungeduldig auf den Tresen.
    Sie seufzte. „Name?“, fragte sie.
    „Erik Strauss.“
    „Symptome?“
    „Blutvergiftung.“
    Sie hob den Kopf. Sie trug eine Brille mit ovalen Gläsern. Die Augen dahinter waren zu Schlitzen verengt. „Sie sehen nicht aus, als hätten Sie eine Blutvergiftung. Aber Ihr Ohr …“
    „Es geht nicht um mich.“
    „Setzen Sie sich bitte, und warten Sie, bis Sie an der Reihe sind.“
    „Ich fürchte, Sie verstehen nicht ganz.“
    „Setzen Sie sich!“ Sie starrte ihn mit funkelnden Augen an.
    Er schlug mit der flachen Hand auf den Tresen. Sie zuckte zurück. „Halten Sie den Mund, Sie dummes Biest!“, brüllte er. Die Schwester schien zu schrumpfen, während sie vor ihm zurückwich.
    „Ich habe einen Mann in meinem Wagen, der in diesem Moment an einer gottverdammten Blutvergiftung verreckt! Sie holen jetzt sofort Doktor Gutenberg, oder ich schwöre Ihnen, Sie werden noch vor dem Mann in meinem Wagen das Zeitliche segnen.“
    Sie sah ihn mit offenem Mund an.
    „Haben Sie das verstanden?“, brüllte er.
    Sie nickte langsam.
    „Dann heben Sie Ihren Hintern aus dem Stuhl und holen Sie den Doktor! Jetzt!“
    Sie sprang auf und rannte zur Tür, die ins Sprechzimmer führte. Doch noch ehe sie eine Hand an die Klinke legen konnte, wurde die Tür von innen aufgerissen. Doktor Gutenberg stand im Türrahmen und blickte drohend in die Runde. Dann fanden seine Augen Erik. „Was brüllen Sie hier rum, Mann?“, fragte er nach einer Weile. „Wenn hier jemand rumbrüllt, dann bin ich das, verstanden?“
    Erik schluckte. „Ich wollte mir nur Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit sichern, Herr Doktor.“
    „Aha. Die haben Sie. Was wollen Sie?“
    „Mein Wagen parkt direkt vor der Tür. Darin sitzt ein Mann. Der Mann stirbt an einer Blutvergiftung.“
    Gutenberg fixierte ihn über den Rand seiner Brille hinweg. Dann schob er die Brille mit dem Zeigefinger den Nasenrücken hoch. „Ihnen fehlt ein Stück vom Ohr, stört Sie das gar nicht?“
    „Das kann warten“, sagte Erik.
    „Dann gehen wir endlich, in Gottes Namen!“
     
    Sie zerrten Xaver Wrede aus dem Auto und schleppten ihn quer durch den Empfangsbereich bis ins Sprechzimmer. Dort wuchteten sie ihn mit vereinten Kräften auf den Behandlungstisch. Doktor Gutenberg öffnete ein Fenster. „Eine eitrige Wunde“, sagte er.

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