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Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Titel: Der Teufel in Thannsüß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Mattgey
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Schneewechte ist unter mir eingestürzt. Ich bin auf einem Vorsprung gelandet. Dort lag ich ein oder zwei Tage, bis mir jemand ein Seil hinuntergeworfen hat.“
    „Wrede?“
    Erik nickte. „Ja. Zumindest glaube ich, dass er es war.“
    „Dann hat er Ihr Leben gerettet.“
    Wieder nickte Erik. „Sieht so aus.“
    „Und jetzt haben Sie möglicherweise seines gerettet.“ Gutenberg wusch Eriks Wunden aus und betupfte sie mit Jod. Es brannte. Für sein Ohr nahm Gutenberg sich besonders viel Zeit. „Das war die Frau, nehme ich an.“
    „Ja, Wredes Frau. Sie ist verrückt.“
    „Aha.“ Gutenberg trat einen Schritt zurück, wie ein Bildhauer, der sein Werk in Augenschein nimmt. Eriks Körper war mit zahlreichen roten Stellen bedeckt, an denen das Jod die Haut verfärbt hatte. „Sehr schön“, sagte Gutenberg. „Rot steht Ihnen. Gebrochen ist nichts, korrigieren Sie mich, wenn ich mich irre. Sie haben eine Menge Prellungen, die bald von ganz alleine abheilen werden. Nur Ihr Ohr wird Ihnen noch lange wehtun, und zwar immer dann, wenn Sie in den Spiegel blicken. Wredes Frau hat zum Glück nur ein kleines Stück erwischt, nicht größer als mein Fingernagel.“
    „Der Kleine?“
    „Nein. Der Daumen. Tut mir leid, dass ich nicht mehr für Sie tun kann.“
    „Sie haben mehr als genug getan. Danke.“
    „Ziehen Sie sich an. Da Sie heute Nacht mein Gast sind, werden Sie mit mir zu Abend essen. Meine Frau kocht ausgezeichnet.“ Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Aber es ist noch zu früh. Sie können sich noch ein bisschen ausruhen. Danach werden wir am Kamin einen Aperitif zu uns nehmen. Ist Ihnen das recht?“
    „Klingt wunderbar.“
    „Dann zeige ich Ihnen jetzt Ihr Zimmer. Kommen Sie.“
    Sie gingen zurück in den Raum, in dem Xaver Wrede lag. Die Schwester saß auf einem Stuhl neben dem Bett. Gutenberg trat zu ihr und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Ich werde Ihnen etwas zu essen bringen lassen. Sein Zustand ist unverändert?“
    „Ja. Seine Temperatur liegt noch immer bei 40 Grad.“
    Gutenberg nickte. „Ich werde ihm später noch eine Ampulle Penicillin verabreichen. Halten Sie die Stellung.“
    „Ja, Doktor“, sagte die Schwester.
    Sie verließen die Praxis durch eine Tapetentür, die Erik zuvor nicht aufgefallen war. Er war so müde, dass er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Gutenberg führte ihn eine Treppe hinauf und durch eine geschmackvoll eingerichtete Wohnstube in ein kleines Gästezimmer . „Schlafen Sie jetzt“, sagte er. „Wir sehen uns in zwei Stunden.“ Dann schloss er leise die Tür.
    Erik ließ sich aufs Bett fallen und schaffte es nicht einmal mehr, seine Kleidung abzulegen. Innerhalb weniger Minuten sank er in einen tiefen Schlaf. Er träumte von Marie.

Kapitel 30
     
    Gutenberg erwartete ihn in der Wohnstube vor dem Kamin. Er erkundigte sich nach Eriks Familie, und nachdem Erik ihm die Situation geschildert hatte, bot der Arzt ihm an, Marie vom privaten Telefon aus anzurufen. Erik nahm das Angebot dankend an. Marie hob schon nach dem zweiten Klingeln ab, so als habe sie auf seinen Anruf gewartet. Erik ließ sie zuerst erzählen, weil sie sagte, dass es Neuigkeiten gebe. Sie sagte, dass es gut vorangehe und dass sie vielleicht schon früher kommen könne als geplant. Sie weinte ein bisschen, als sie ihm von dem Baby erzählte, aber sie weinte aus Freude, weil es sich so prächtig entwickelte. Es trete jeden Tag ein wenig fester zu, sagte sie. Er lachte und wünschte, er könnte bei ihr sein und seine Hand auf ihren Bauch legen. Er sagte ihr, wie sehr er sie vermisse und dass er sie über alles liebe, und als er es sagte, merkte er, wie die Sehnsucht sein Herz zusammenpresste und daran zog, als wollte sie es aus seiner Brust reißen. Dann erzählte er ihr die Geschichte seines Sturzes in den Gletschergraben. Er erzählte ihr auch von Xaver Wredes Blutvergiftung und dem Kampf mit Wredes Frau. Während er sprach, betastete er den Verband an seinem Ohr. Seine Stimme wurde brüchig, und sie bemerkte es. Als sie fragte, was los sei, sagte er es ihr. Sie schwieg lange.
    „Marie?“, fragte er, weil er glaubte, die Leitung sei tot. Dann hörte er sie am anderen Ende schniefen.
    „Mein armer Schatz“, sagte sie. Dann weinte sie wieder, aber als sie sich beruhigt hatte, tröstete sie ihn, und sie fand dafür so zärtliche Worte, dass sein Inneres sich warm und erleuchtet anfühlte. In diesem Moment hätte er alles dafür gegeben, bei ihr zu sein, sie in die

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