Der Teufel in Thannsüß (German Edition)
„Unangenehm.“
Er rief die Schwester herein und bat sie, die anderen Patienten nach Hause zu schicken, sofern kein Notfall vorliege. Aus dem Wartezimmer erklang aufgebrachtes Stimme ngemurmel. Dann wurde es still.
Gutenberg inspizierte Xaver Wredes entzündete Hand. Die Hand hatte eine bläuliche Färbung angenommen und wirkte aufgequollen, als hätte sie zu lange im Wasser gelegen. Als der Arzt die Wunde mit den Fingern auseinander zog und Blut und Eiter daraus hervorquollen, wandte Erik sich ab.
„Schauen Sie nicht weg“, murmelte Gutenberg. „Sie können hier eine Menge lernen.“
„Tun Sie einfach, was Sie tun müssen.“
„Ein guter Rat ist nie verkehrt.“ Gutenberg lächelte säuerlich und schob seine Brille hoch. „Wenn Sie zwei Tage früher zu mir gekommen wären, hätte ich die Hand sicher retten können. Aber so ...“
Er bewegte die Finger an Xaver Wredes Hand. Sie wirkten steif und kehrten langsam in ihre verkrümmte Haltung zurück. „So weiß ich leider nicht, ob er die Hand behalten wird. Ich weiß nicht einmal, ob er leben wird. Wo hat er sich die Infektion geholt?“
„Bei der Renovierung des Schulhauses. Ein rostiger Nagel.“
„Ah, der gute alte Rost, was wäre ich ohne ihn. Sehen Sie den roten Strich hier, vom Handgelenk bis zur Ellenbeuge? Und ah, es geht noch weiter, schauen Sie. Bis hoch zur Achselhöhle. Eine solche Entzündung habe ich das letzte Mal im Krieg gesehen. Aber da waren die Medikamente knapp und der Feind nicht weit. Warum zur Hölle kommen Sie erst jetzt zu mir?“
„Seine Frau hat ihn gepflegt. Aber sie ist verwirrt.“
„Tee und kalte Umschläge, nehme ich an?“
„Als ich ihn fand, nicht mal mehr das.“
Gutenberg seufzte. „Schwester!“, schrie er dann.
Die Schwester eilte ins Zimmer. „Ja, Doktor?“
„Waschen Sie diese Wunde aus. Aber zuerst desinfizieren Sie seine Ellenbeuge und binden den Oberarm ab. Dann geben Sie mir eine Ampulle Penicillin und eine schöne Spritze.“
Während die Schwester sich an die Arbeit machte, sah Erik sich im Sprechzimmer um. Nach einer Weile bemerkte er, dass Gutenberg ihn musterte. „Ich kenne Sie“, sagte der Arzt.
„Wir sind uns schon einmal begegnet“, sagte Erik. „In Thannsüß.“
„Aha. Thannsüß.“ Gutenberg nickte. „Sie sind der neue Lehrer. Herr Strauss, richtig?“
„Ja.“
Die Schwester richtete sich auf. „Fertig.“
Gutenberg beugte sich über Xaver Wrede. Er hörte seinen Herzschlag mit dem Stethoskop ab. Die Schwester reichte ihm die Spritze mit dem Penicillin. Er versenkte sie in Wredes Vene und drückte ihren Inhalt in seine Blutbahn. „Holen Sie jetzt Eis, Schwester“, sagte Gutenberg ohne aufzusehen. „So viel Sie kriegen können.“
Sie blieben eine Stunde bei Xaver Wrede und sprachen kaum. Der Arzt desinfizierte die Hand, dann verband er sie. Er untersuchte Wrede gründlich und verabreichte ihm ein fiebersenkendes Mittel. Die Schwester brachte gestoßenes Eis in Tüchern und rieb Wredes Körper damit ab. Sie legte einige der Tücher auf Xaver Wredes Beine, um das heiße Blut abzukühlen. Seine Körpertemperatur lag zunächst bei 42 Grad Celsius, bei der zweiten Messung war sie auf 41 Grad gesunken, und schließlich blieb sie bei 40 Grad stehen. Wrede sah aus, als wäre er tot, aber er schlief nur. Manchmal bewegte sich sein Mund, aber weder Erik noch Doktor Gutenberg konnten den Sinn der Worte entschlüsseln, die über seine Lippen stolperten wie Betrunkene über die Schwelle einer Schänke.
„Mehr kann ich im Moment nicht für ihn tun“, sagte Gutenberg. „Packen Sie mit an. Wir bringen ihn nach nebenan.“
Sie trugen Xaver Wrede in ein angrenzendes Zimmer, das bis auf ein schlichtes Bett und einen Waschtisch leer war. Sie legten Wrede aufs Bett, und Doktor Gutenberg breitete eine leichte Decke über ihn.
„Wie lange wird es dauern?“
„Wie lange wird was dauern?“
„Wann können wir zurückfahren?“
„Zurück? Nach Thannsüß? Sie haben es aber eilig. Was wollen Sie denn in Ihrem Kaff?“ Gutenberg schüttelte den Kopf. „Er ist nicht transportfähig. Sein Zustand ist kritisch, auch wenn seine Temperatur etwas gesunken ist. Wir können nur hoffen, dass die Medikamente schnell anschlagen. Ich muss ihn hier behalten, eine Nacht ist das Mindeste. Ich schlage vor, dass Sie auch bleiben. Sie können im Gästezimmer schlafen. Vielleicht können Sie morgen dann zurückfahren.“ Er sah nachdenklich auf Xaver Wrede hinunter. „Wir werden sehen“,
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