Der Teufel mit den blonden Haaren
künftig von seinem Vater nichts mehr sagen zu lassen.
An diesem Wochenende begann innerer Zwist eine Familie zu zerfressen, die bis dahin gesund gewesen war.
Als Toni in seinem Zimmer ans Fenster trat, sah er gerade Gaby durchs Gartentor kommen.
VII
Gaby hatte sich von Franz bis zur Straßenkreuzung bringen lassen, ihren ziemlich schweren Koffer selbst bis zum Haus Sonneck geschleppt und unterwegs schon wieder einen neuen Plan ausgeheckt. Zwar spürte sie die Fortschritte, die sie in so kurzer Zeit gemacht hatte, aber noch schien ihr diese Familie Mercker nicht sicher genug. Es galt jetzt vor allem, mit dem Richter endgültig fertig zu werden. Aber dieser Dr. Harald Mercker war ein schlauer Fuchs, so wenigstens schätzte Gaby ihn ein, und der direkte Weg zu ihm führte sicherlich über seine Frau.
So kam es Gaby gerade recht, daß sie Frau Ingrid in der Diele traf.
„Oh“, sagte Frau Mercker. „Einen recht guten Morgen — kommen Sie erst jetzt oder waren Sie schon wieder fort?“
Gaby reichte ihr strahlend die Hand, es sah fast so aus, als deute sie einen ganz leichten Knicks an.
„Guten Morgen! Ich... ist mir entsetzlich peinlich, aber es wurde doch später als ich gedacht habe, und da wollte ich Sie nachts nicht mehr stören. Ich habe bei einer Freundin geschlafen.“ Sie deutete auf ihren Koffer. „Und da sind auch ein paar Sachen zum Anziehen, ich kann doch wirklich nicht immer Sabine belästigen, an ihrer Stelle wäre ich auch nicht entzückt, wenn eine Fremde...“
Frau Mercker winkte ab.
„Ach was, Sabine tut das doch gern.“ Sie wandte sich zur Küche. „Sie müssen mich jetzt entschuldigen, ich muß mich ums Frühstück kümmern.“ Mit einem kleinen Augenzwinkern fügte sie hinzu: „Wenn Sie mal heiraten, Gaby, dann gewöhnen Sie Ihre Familie um Gottes willen nicht daran, daß es sonntags immer ganz besonders aufwendig hergeht.“
Gaby, von Natur aus mit einer Art von sechstem Sinn für andere Menschen ausgerüstet, hatte diese Begabung im Laufe ihres kriminellen Werdegangs noch kultiviert. Die kleinsten Andeutungen in einem Gespräch verrieten ihr manchmal die geheimsten Gedanken, Wünsche und Abneigungen anderer Menschen.
Die Gelegenheit, sich Frau Merckers Herz völlig zu erobern, es sich nach Möglichkeit sogar zu unterwerfen, schien ihr jetzt günstig. Also folgte sie in die Küche.
„Darf ich Ihnen nicht ein wenig helfen?“
Welche Frau, deren Familie sich kaum um die Hausfrauenarbeit kümmert, hörte solche Worte nicht gern?
„Wie lieb von Ihnen“, sagte Frau Ingrid erfreut. „Mit der Arbeit werde ich ja ganz gut fertig, aber ich finde es morgens allein in der Küche immer so langweilig. Setzen Sie sich zu mir und erzählen Sie mir ein wenig. Ich weiß eigentlich noch gar nichts von Ihnen. Wo leben denn Ihre Eltern?“
Daran wollte Gaby am allerwenigsten erinnert werden.
„Ich kann Sie so gut verstehen“, sagte sie. „Mein Mann...“
Sie machte bewußt eine kleine Kunstpause, und ihre Rechnung ging auf. Frau Ingrids Hand mit dem Meßbecher Kaffee blieb in der Luft stehen.
„Sie — sind verheiratet?“
„Ich war“, sagte Gaby leichthin. „Meine Eltern wollten, daß ich einen Mann heirate, den ich nicht geliebt habe. Ich tat ihnen den Gefallen, aber natürlich ging alles schief.“
„Sie Ärmste!“ rief Frau Ingrid. „Sind womöglich Kinder da?“
„Nein.“
„Wie gut! — Würden Sie bitte dort mal den Boiler füllen? — Vielen Dank. Es ist für eine Frau nicht immer leicht, nur für die Familie zu leben.“
Gaby tat überrascht.
„Aber Sie leben hier doch wie im Paradies! Diese herrliche Ruhe! Kein Lärm, keine Kinos oder Theater — wie im Paradies.“
Frau Ingrid seufzte.
„Ja, schon“, sagte sie zögernd. „Manchmal sehne ich mich nach der Stadt. Ich bin in der Stadt aufgewachsen, ich liebte es, einen Schaufensterbummel zu machen, oder hin und wieder einen Kaffee trinken zu gehen, mich mit Freundinnen zu treffen. Hier ist man wirklich sehr einsam.“
Gaby lachte.
„Einsam? Sie haben doch einen so großartigen Mann und zwei wirklich nette Kinder.“
Frau Ingrid holte den Brotlaib aus dem Kasten.
„Eine Weile ist das wunderschön“, sagte sie. „Aber mein Mann ist ja die ganze Woche in der Stadt, wenn er abends nach Hause kommt, ist er natürlich abgehetzt und todmüde. Die Kinder sind erwachsen, sie gehen ihre eigenen Wege, ich sehe sie fast nur zu den Mahlzeiten.“ Mechanisch drehte sie an der Schneidemaschine, mechanisch fingen
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