Der Teufel mit den blonden Haaren
Sterne.
Schließlich fielen Toni doch die Augen zu, er schlief mit Licht und dem Buch in der Hand, fuhr auf, stürzte ans Fenster — er war am Morgen völlig übermüdet, als er viel früher als sonst im Bad verschwand, um zu duschen und sich zu rasieren.
Als er damit fertig war, kam ihm sein Vater auf dem Gang entgegen.
Toni hatte lange mit sich gerungen, ob er mit seinem Vater nicht doch besser über diese rätselhafte Pistole und den nächtlichen Besuch sprechen sollte, und jetzt, da Gaby immer noch nicht zurückgekehrt war, schien es ihm notwendig.
„Guten Morgen, Paps, kann ich dich mal sprechen, es ist dringend.“
Dr. Mercker deutete auf die Tür des Gästezimmers.
„Wann ist sie denn heimgekommen?“
„Gar nicht. Aber hast du ein paar Minuten Zeit für mich?“
Dr. Merckers Hände zogen unbewußt den Gürtel des dunkelblauen Bademantels fester.
„Komm mit in mein Zimmer.“
Er ging voraus, Toni folgte ihm und war schon wieder geneigt, seinen Entschluß zu bereuen. Als er dann aber seinem Vater gegenüber saß, der ihn ruhig musterte, begann er doch:
„Du, Paps, ich habe mal eine komische Frage: Hast du zufällig in unserer Garage eine Pistole gefunden?“
Ein kaum sichtbares Lächeln zuckte um den schmallippigen Mund des Richters. Wortlos zog er die Schreibtischlade auf und legte die Pistole vor sich hin auf die Tischplatte.
„Meinst du die?“
Toni schaute überrascht auf die Waffe, dann sagte er:
„Also doch, ich weiß nicht, Paps, eigentlich wollte ich gar nichts davon sagen, aber jetzt... war die wirklich in der Garage?“
Der Richter nahm die Waffe in die Hand, drehte sie hin und her, zog das Magazin mit der Munition heraus, öffnete den Verschluß und überzeugte sich davon, daß keine Kugel mehr im Lauf steckte, dann fragte er:
„Woher hast du sie? Ohne Waffenschein darfst du sie nicht führen, ohne Erwerbsschein nicht einmal haben. Ich möchte nicht, daß du wegen einer solchen Kinderei eines Tages Schwierigkeiten hast.“
„Sie gehört mir gar nicht, Paps, und…“
„Na schön, dann Schwamm drüber, du gibst sie sofort wieder zurück, verstanden?“
„Aber Paps, das ist doch alles ganz anders. Ich habe heute nacht einen Kerl in der Garage erwischt; zuerst dachte ich, er wolle ein Auto stehlen, aber er fragte nach der Pistole, von der ich keine Ahnung hatte. Er wollte diese Pistole haben.“
Eine Weile saß der Richter ganz still, sein Blick war starr auf die Waffe gerichtet. Endlich sagte er:
„Toni, ich habe als Junge auch manchen dummen Streich gemacht. Wenn dir das Schießen Freude macht, schenke ich dir eine Luftpistole. Aber erzähle mir bitte keine so durchsichtigen Märchen.“
„Es ist wahr, Paps. Und...“ Toni zögerte, atmete ein paarmal tief ein, dann fuhr er entschlossen fort: „...und Gaby muß irgendwas damit zu tun haben. Der Kerl nannte ihren Namen, er wußte, daß sie bei uns ist.“ Seine Stimme wurde beinahe schrill vor Kummer. „Paps, meinst du, daß es möglich ist... Gaby könnte... der Kerl hat gesagt, mit dieser Pistole sei ein Polizist erschossen worden. Er stellte so komische Fragen, ich war so verblüfft. Er sagte, das sei ihm gerade recht, daß diese Pistole hier ist. Ich sei doch auch in der Freitagnacht in München gewesen, und Gaby würde das beschwören. Paps! Was ist los?“
Der Richter hatte die Augen geschlossen, sein Gesicht war so weiß wie die Wand, vor der er saß.
Toni sprang auf. Ein Herzinfarkt, dachte er, Paps hat einen Herzinfarkt — was tut man denn...
Der Richter machte eine müde Handbewegung.
„Laß nur, Toni, es geht schon wieder. Das Mädchen... ihr Freund hat einen Bankeinbruch versucht, wurde überrascht und schoß einen Polizisten nieder. Sie wollte daraufhin flüchten, der Zufall führte sie mir und deiner Mutter in den Weg, mein Wagen schleuderte ein wenig auf dem Glatteis, im ersten Augenblick dachte ich auch, ich hätte dieses Mädchen gestreift. Sie wollte nur fort und nützte diese Chance. Ich habe sie mitgenommen.“
„Und?“ fragte Toni atemlos. „Und, Paps? Sie ist in diese Sache doch nicht verwickelt, sonst hättest du doch längst die Polizei verständigt, nicht?“
Der Richter stützte die Ellenbogen auf den Tisch und legte sein Kinn auf die verschränkten Hände.
„Ich... ich weiß noch nichts Näheres. Ich weiß nicht, ob sie lügt oder die Wahrheit spricht. Sie hat erklärt, von dem Vorhaben des Burschen nichts gewußt zu haben, sie hat gesagt, sie wolle sich von ihm trennen,
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