Der Teufel trägt Prada
eine Frau, die nur die Klatschkolumnen und die Modeseiten las, neun Zeitungen am Tag und sieben Zeitschriften in der Woche bezahlten.
Ich verstaute die ganzen Sachen erst mal unter meinem Schreibtisch, es wurde schließlich höchste Zeit, die ersten Bestellungen aufzugeben. Auswendig wählte ich die Nummer von Mangia, einem Feinschmeckerimbiss, und wie immer ging Jorge an den Apparat.
»Morgen, alter Knabe. Ich bin’s«, sagte ich und klemmte mir den Hörer unters Kinn, um zwischendurch schon mal die E-Mails abzurufen. »Dann wollen wir mal.« Jorge und ich waren dicke Freunde. Wenn man jeden Morgen vier-, fünfmal miteinander telefoniert, kommt man sich sehr schnell näher.
»Morgen, Baby. Ich schick dir gleich einen von meinen Jungs rüber. Ist sie schon da?«, fragte er. Obwohl er genau wusste, für
wen ich da endlose Bestellungen aufgab, hatte er nicht die leiseste Vorstellung davon, was für ein Mensch dieses soeben georderte Frühstück verzehren würde. Jorge war einer von meinen vier Morgenmusketieren. Eduardo, Uri, Jorge und Ahmed, der Lichtblick an jedem neuen Arbeitstag. Das Beste an ihnen war, dass sie im Grunde mit Runway nicht das Geringste zu tun hatten, obwohl ihre gesamte Existenz nur darum zu kreisen schien, das Leben des Drachens noch perfekter zu gestalten. Trotzdem ahnte keiner von ihnen, über wie viel Macht und Ansehen Miranda tatsächlich verfügte.
Sekunden später war das erste Frühstück auf dem Weg in die Redaktion, nur um vermutlich schnurstracks in den Müll zu wandern. Miranda aß jeden Morgen vier fettige Scheiben Speck, zwei Würstchen, ein klebriges Stück Käseplunder und spülte das Ganze mit einem großen Milchkaffee von Starbucks hinunter (zwei Stücke Rohrzucker!). Die Meinungen darüber, wo sie die Kalorien ließ, gingen im Büro auseinander. Die eine Fraktion meinte, sie sei permanent auf der Atkins-Diät, die andere vermutete, sie sei vom großen Gott der Gene mit einem schier übermenschlichen Stoffwechsel ausgestattet worden. Wie auch immer, sie nahm jedenfalls kein Gramm zu, obwohl sie das fetteste, süßeste, ungesündeste Essen der Welt vertilgte, eine Sünde, die sie uns Normalsterblichen niemals hätte durchgehen lassen. Da man das Frühstück höchstens zehn Minuten warm halten konnte, bestellte ich, bis sie aufkreuzte, alle naselang ein neues und beförderte das alte in den Müll.
Das Telefon klingelte. Um diese Tageszeit konnte es niemand anders sein als Miranda persönlich.
»Büro Miranda Priestly«, zwitscherte ich und machte mich auf die übliche eiskalte Dusche gefasst.
»Emily, ich bin in zehn Minuten da. Sorgen Sie dafür, dass mein Frühstück auf dem Tisch steht.«
Sie hatte sich angewöhnt, uns beide »Emily« zu nennen, womit sie uns – vollkommen zu Recht – zu verstehen gab, dass wir
absolut austauschbar und in nichts voneinander zu unterscheiden waren. Es wurmte mich noch immer, obwohl ich mir inzwischen ein dickes Fell zugelegt hatte. Außerdem war ich viel zu müde, um mich wegen so etwas Unwichtigem wie meinem Namen aufzuregen.
»Ja, Miranda. Wird erledigt.« Sie hatte bereits aufgelegt. Die echte Emily kam herein.
»Hi, ist sie schon da?«, flüsterte sie. Wie jeden Morgen warf sie als Erstes einen verstohlenen Blick in Richtung Mirandas Büro. Natürlich ohne ein Hallo oder Guten Morgen, genau wie ihr großes Vorbild.
»Nein, aber sie hat gerade angerufen. Noch zehn Minuten. Bis dann.«
Ich steckte mein Handy und meine Zigaretten ein und stürzte hinaus. Zehn Minuten, mehr Zeit blieb mir nicht, um nach unten zu fahren, über die Madison zu laufen, den Kaffee zu holen und mich wieder hinter meinen Schreibtisch zu schwingen – und um mir unterwegs die erste Zigarette des Tages reinzuziehen. Ich trat die Kippe aus, schob mich bei Starbucks durch die Tür und musterte die Schlange. Wenn es nicht mehr als acht Leute waren, stellte ich mich meistens hinten an, wie ein ganz normaler Mensch. Meistens aber – so wie heute – warteten schon 20 müde Büromenschen geduldig auf ihre Dosis Koffein. Das hieß: Ich musste mich vordrängeln. Nicht gerade mein Lieblingshobby, aber Miranda schien einfach nicht zu begreifen, dass man ihren großen Milchkaffee, nicht nur nicht liefern lassen konnte, sondern dass er mich zur Hauptgeschäftszeit bis zu einer halben Stunde kostete. Ein paar Wochen hielt ich es aus, mich bei meinem täglichen Kaffeegang per Handy zur Schnecke machen zu lassen (»Aan-dreh-aa, wo bleiben Sie? Ich habe Ihnen vor 25
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