Der Teufel trägt Prada
anderen Artikelchen stehen dir alle Möglichkeiten offen. Der New Yorker wird sich um dich reißen.«
»Dein Wort in Gottes Gehörgang.« Ich sprang aus dem Bett und stopfte meine Sachen in den Rucksack. »Und du leihst mir wirklich deine Mühle? Je schneller ich zu Hause bin, desto schneller bin ich auch wieder zurück. Obwohl das aber bald auch schon keine Rolle mehr spielt, denn: Ich ziehe nach New York! Das ist jetzt amtlich.«
Weil Alex zweimal in der Woche nach Hause fuhr, um auf seinen kleinen Bruder aufzupassen, wenn seine Mutter länger arbeiten musste, hatte sie ihm ihren alten Wagen geschenkt. Aber er brauchte ihn erst wieder am Dienstag, und bis dahin war ich längst zurück. Ich hatte meine Eltern an diesem Wochenende sowieso besuchen wollen, und nun würde ich sie auch noch mit einer guten Nachricht überraschen können.
»Aber klar. Du kannst die Kiste gerne haben. Sie steht in der Grand Street, kurz vor der nächsten Kreuzung. Die Schlüssel liegen auf dem Küchentisch. Rufst du mich an, wenn du da bist?«
»Logo. Und du willst wirklich nicht mitkommen? Denk an das Essen – du weißt doch, meine Mutter lässt sich nur das Beste ins Haus liefern.«
»Klingt verlockend. Ich würde gerne mitfahren, aber ich habe für morgen ein Treffen der jüngeren Kollegen organisiert. Vielleicht ist es gut für den Teamgeist, wenn wir uns mal außerhalb
der Schule auf einen Drink zusammensetzen. Da muss ich auf jeden Fall hin.«
»Du Wohltäter der Menschheit, du. Wenn du nicht jeden Tag eine gute Tat tun kannst, fehlt dir was. Sei froh, dass ich dich liebe, sonst würde ich mich beschweren.« Ich gab ihm einen Abschiedskuss.
Nachdem ich seinen kleinen Jetta gefunden hatte, dauerte es nur noch 25 Minuten, bis ich auf der Autobahn war. Es war ein eiskalter Novembertag, auf den Nebenstraßen herrschte stellenweise Glatteis. Aber die Wintersonne schien, strahlte so hell vom Himmel, dass ich die Augen zusammenkneifen musste. Und die frische Winterluft tat mir gut. Ich fuhr trotz meiner noch feuchten Haare die ganze Strecke mit offenem Fenster und hörte mir den Soundtrack von Almost Famous an. Zwischendurch musste ich mir die Hände warmpusten, um überhaupt noch das Lenkrad halten zu können. Erst sechs Monate vom College runter, und schon stand ich in den Startlöchern zu einer Karriere. Miranda Priestly, bis gestern eine Fremde für mich, aber eine der mächtigsten Frauen in der Verlagslandschaft, hatte mich persönlich erwählt, für ihre Zeitschrift zu arbeiten. Jetzt hatte ich einen konkreten Grund, Connecticut zu verlassen und ganz allein und als echte Erwachsene nach Manhattan zu ziehen. Als ich in die Einfahrt meines Elternhauses einbog, konnte ich mich vor Vorfreude kaum noch beherrschen. Meine Wangen leuchteten vom Fahrtwind wie Apfelbäckchen, meine Haare sahen aus wie die vom Struwwelpeter, mein Gesicht war ungeschminkt. Aber in diesem Augenblick fühlte ich mich schön. Stürmisch riss ich die Haustür auf. So leicht und unbeschwert wie an jenem Tag habe ich mich seitdem nie wieder gefühlt.
»In einer Woche sollst du anfangen? Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie du das schaffen willst«, sagte meine Mutter und rührte in ihrer Tasse. Wir hatten es uns am Küchentisch
gemütlich gemacht. Wie immer trank Mutter entkoffeinierten Tee mit Süßstoff, ich hingegen hatte einen großen Becher englischen Breakfast-Tea mit Zucker vor mir. Obwohl ich nun eigentlich schon seit vier Jahren nicht mehr richtig bei meinen Eltern wohnte, reichten ein Pott Tee aus der Mikrowelle und eine Hand voll Erdnussbutterplätzchen, um mir das Gefühl zu geben, nie von zu Hause ausgezogen zu sein.
»Irgendwie muss es gehen. Und ich kann noch froh sein, dass ich überhaupt eine Woche rausgeschlagen habe. Du hättest mal hören sollen, wie mir diese Sharon die Pistole auf die Brust gesetzt hat«, sagte ich. Sie sah mich skeptisch an. »Es lässt sich nun mal nicht ändern. Aber dafür habe ich mir auch einen Job bei einer der einflussreichsten Frauen in der Zeitschriftenbranche geangelt. Einen Job, für den Millionen junger Frauen ihr Leben geben würden.«
Wir lächelten uns an, aber es war ein Lächeln, das von Melancholie durchzogen war. »Ich freue mich so für dich«, sagte sie. »Was für eine wunderbare, erwachsene Tochter ich doch habe. Schatz, ich beneide dich. Dir steht ein ungeheuer aufregender Lebensabschnitt bevor. Wenn ich zurückdenke an die Zeit, als ich mit dem College fertig war und nach
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