Der Teufel trägt Prada
freundliches Lächeln, da mir alle, die New York kannten, dringend eingeschärft hatten, bloß nicht zu vergessen, dass ich nicht mehr in der Provinz war. Hier reagierten die Einheimischen auf nettes Benehmen misstrauisch. Der Mann musterte mich finster. Vielleicht hielt er mich für unhöflich. Was sollte ich machen? Ich strahlte ihn an.
»Ein Dollar«, sagte er und streckte die Hand aus.
»Heißt das, ich soll für die Auskunft bezahlen?«
»Ein Dollar, Milch oder schwarz. Was haben?«
Ich starrte ihn einen Augenblick verständnislos an, bis es mir dämmerte. Er beherrschte nur so viel Englisch, dass es für ein Gespräch über Kaffee reichte. »Mit Milch, danke.« Ich zahlte und ging wieder hinaus. Noch ratloser als vorher fragte ich Zeitungsverkäufer, Straßenfeger und einen Mann an einem Imbissstand nach dem Weg, aber keiner verstand mich gut genug, um mir auch nur die richtige Richtung zeigen zu können. Ich fühlte mich fast nach Delhi zurückversetzt. Trotzdem ließ ich mich nicht entmutigen. Ich werde es finden , dachte ich.
Nachdem ich ein paar Minuten durch das allmählich erwachende Geschäftsviertel geirrt war, fand ich mich plötzlich vor dem Elias-Clark-Building wieder. Hinter dem verglasten Eingang lag die beleuchtete Lobby, warm und einladend an diesem düsteren
Novembermorgen. Aber als ich durch die Drehtür wollte, rührte sie sich nicht vom Fleck. Ich schob und drückte, doch es tat sich nichts. Erst als ich schon fast mit der Nase am Glas klebte, setzte sie sich in Bewegung, anfangs noch zögerlich, im nächsten Augenblick schon so schnell, dass ich von der Trennscheibe hinter mir einen Schubs bekam und fast kopfüber in die Lobby katapultiert worden wäre. Ich stolperte über meine eigenen Beine und hätte um ein Haar das Gleichgewicht verloren. Ein übergewichtiger Wachmann, der hinter der Absperrung hockte, amüsierte sich köstlich über meinen alles andere als würdevollen Auftritt.
»Fies, was? Sie sind nicht die Erste, der das passiert, und Sie werden auch garantiert nicht die Letzte sein«, lachte er, dass seine Hängebacken schwabbelten. »Da haben wir Sie aber echt kalt erwischt, was?«
Bei mir war es Antipathie auf den ersten Blick. Aber da die Abneigung offenbar auf Gegenseitigkeit beruhte, ließ ich mich nicht aus der Ruhe bringen und lächelte ihn freundlich an.
»Mein Name ist Andrea Sachs«, sagte ich, zog meinen Strickfäustling aus und gab ihm die Hand. »Ich bin Miranda Priestlys neue Assistentin.«
Er schüttete sich aus vor Lachen. »Miranda Priestlys neue Assistentin, hä? Ha! Ha! Ha! He, Eduardo, guck mal, was wir hier haben. Mirandas neue Sklavin! Wo kommen Sie denn her, Schätzchen? Vom Mond? Oder aus Kansas? Ich glaub’s nicht, eine echte Unschuld vom Lande. So was wie Sie verspeist Miranda Priestly doch mit Haut und Haaren zum Frühstück. Ha, ha, ha!«
Bevor mir eine passende Antwort einfiel, kam sein Kollege zu uns herüber. Ich machte mich auf weitere Gemeinheiten gefasst, aber es kam nichts. Stattdessen sah er mich nur freundlich interessiert an.
»Ich heiße Eduardo«, stellte er sich vor. »Und dieser Scherzkeks hier ist Mickey. Hören Sie nicht auf ihn. Er will Sie bloß
ärgern«, fuhr er mit seinem spanischen Akzent fort, während er in einem Anmelderegister blätterte. »Füllen Sie mir bitte diese Angaben aus, dann gebe ich Ihnen einen vorläufigen Ausweis. Richten Sie denen oben aus, dass Sie von der Personalabteilung eine Karte mit Foto brauchen.«
Ich muss wohl ein sehr dankbares Gesicht gemacht haben, denn er wurde plötzlich verlegen und schob mir das Register über die Theke zu. »Also dann, tragen Sie sich ein. Und viel Glück für Ihren ersten Tag. Sie werden es brauchen, Kindchen.«
Inzwischen war ich viel zu nervös und erschöpft, um auf seine kryptische Bemerkung einzugehen. Außerdem konnte ich mir halbwegs denken, worauf er hinauswollte. Bei aller Hektik der letzten Woche hatte ich mir nämlich die Zeit genommen, etwas mehr über meine neue Chefin in Erfahrung zu bringen. Bei meinen Recherchen im Internet hatte ich zu meiner Überraschung herausgefunden, dass Miranda Priestly als Miriam Princhek im Londoner East End das Licht der Welt erblickt hatte. Ihre Familie unterschied sich in nichts von anderen jüdisch orthodoxen Familien der Stadt: bettelarm und gottesfürchtig. Ihr Vater nahm zwar hin und wieder einen Aushilfsjob an, brachte aber ansonsten die meiste Zeit damit zu, jüdische Schriften zu studieren, so dass die Familie
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