Der Teufel trägt Prada
-Rückzieher, den ich noch so gut kennen lernen würde. Sobald einer Klapperschnepfe ein Wort der Kritik über die Lippen kam – und sei es auch noch so berechtigt -, bekam sie Panik, dass Miranda davon erfuhr, und ruderte hektisch zurück.
Emily zog ihre Ausweiskarte durch das elektronische Lesegerät, und dann schritten wir schweigend durch die langen Korridore bis zu Mirandas Büro-Suite. Sie öffnete die Flügeltür zum Vorzimmer und deponierte ihre Tasche und ihren Mantel auf einem der beiden Schreibtische. »Du sitzt da drüben«, sagte sie und zeigte auf den zweiten. Auf dem glatten, L-förmigen Schreibtisch standen ein nagelneuer türkisfarbener iMac-Computer, ein Telefon und ein paar Ablagekörbe. In den Schubladen lagen Stifte, Büroklammern und Notizbücher. »Ich hab dir meine alten Sachen einfach dringelassen. Es ist einfacher, wenn ich das neue Büromaterial nur für mich bestelle.«
Emily war gerade zur Seniorassistentin befördert worden und hatte ihren Platz als Juniorassistentin für mich geräumt. Sie erklärte mir, dass sie nach zwei Jahren als Mirandas Chefassistentin direkt in die Moderedaktion bei Runway überwechseln würde. Die dreijährige Assistentinnenlaufbahn sei eine todsichere Garantie für eine Karriere in der Modewelt. Ich klammerte mich lieber an die Hoffnung, dass mein Jahr als Mädchen für alles für eine Stelle beim New Yorker ausreichen würde. Emilys Vorgängerin Allison, die bereits ihren neuen Posten in der Beauty-Abteilung angetreten hatte, war nun dafür verantwortlich, neue Make-ups, Feuchtigkeitscremes und Haarprodukte zu testen und darüber zu schreiben. Ich konnte mir zwar nicht vorstellen, wie sie sich als Assistentin für diese Aufgabe qualifiziert haben sollte, war aber trotzdem beeindruckt. Das Versprechen wurde gehalten: Wer für Miranda arbeitete, machte seinen Weg.
Die übrigen Mitarbeiter trudelten gegen zehn Uhr ein, insgesamt etwa 50 allein aus der Redaktion. Das größte Ressort war natürlich »Fashion« mit fast 30 Beschäftigten, darunter auch die vielen Ausstattungsassistentinnen. Features, Beauty und Art rundeten das Bild ab. Fast alle schauten kurz bei Emily herein, um mit ihr zu plaudern, sich den neuesten Klatsch über ihre Chefin anzuhören und die neue Kollegin zu beschnuppern. An meinem ersten Morgen lernte ich Dutzende von Leuten kennen,
die mich mit perfektem Strahlegebiss anlächelten und sich tatsächlich für mich zu interessieren schienen.
Die Männer waren schwul und zeigten es auch. Sie steckten in knallengen Lederhosen und Rib-Shirts, die sich wie eine zweite Haut über ihren durchtrainierten Muskeln und Waschbrettbäuchen spannten. Der Art Director, ein älterer Mann mit champagnerblondem, etwas spärlichem Haar, der so aussah, als ob er Elton John nacheiferte, trug Halbschuhe aus Kaninchenfell – und hatte die Augen mit Eyeliner geschminkt! Niemand verlor auch nur ein Wort darüber. Von den Schwulen aus meinem Bekanntenkreis hätte es keiner gewagt, in einem derartig ausgeflippten Aufzug herumzulaufen. Es war, als wäre man vom Ensemble einer schwulen Seifenoper umgeben – nur natürlich in besseren Kostümen.
Die Frauen – beziehungsweise die »Girls« – waren eine schöner als die andere. Zum Anbeißen. Die meisten schienen um die 25 zu sein, kaum eine auch nur einen Tag älter als 30. Zwar trugen fast alle einen dicken Klunker am Ringfinger, das Abzeichen der Ehefrau, aber es schien undenkbar, dass auch nur eine von ihnen ein Kind in die Welt gesetzt hatte – oder sich irgendwann Nachwuchs zulegen würde. Sie glitten graziös herein, schwebten auf ihren Zehn-Zentimeter-Absätzen zu meinem Schreibtisch, streckten mir milchweiße Hände mit manikürten langen Nägeln hin und stellten sich vor als: »Jocelyn, ich arbeite mit Hope zusammen«, »Nicole aus dem Moderessort« oder »Stef, die für die Accessoires zuständig ist«. Nur eine einzige, Shayna, war unter 1,80 Meter dabei aber so mädchenhaft zart gebaut, dass man das Gefühl hatte, jeder Zentimeter extra hätte sie erdrückt. Keine der Frauen brachte mehr als 50 Kilo auf die Waage.
Während ich auf meinem Drehstuhl hockte und versuchte, mir die vielen Namen einzuprägen, kam plötzlich das schönste Mädchen des Tages hereingeweht – eine Erscheinung aus einer anderen Welt. Sie trug einen roséfarbenen Kaschmirpullover,
der so aussah, als hätte man die Wolle dafür aus Schäfchenwolken gesponnen. Über ihren Rücken ergoss sich eine schlohwei ße Haarpracht. So
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