Der Teufel trägt Prada
dünn wie sie war, war es erstaunlich, dass sie sich überhaupt aufrecht halten konnte, dabei bewegte sie sich mit der kraftvollen Anmut einer Tänzerin. Ihr Wangen leuchteten rosig, und ihr mehrere Karat schwerer, lupenreiner Verlobungsring funkelte hell wie ein Stern. Ich konnte die Augen kaum davon losreißen. Als ob sie mir meine Begeisterung ansah, hielt sie mir den Diamanten unter die Nase.
»Selbst entworfen«, verkündete sie mit einem stolzen Blick auf ihre Hand. Ich sah fragend zu Emily hinüber, doch die hing mal wieder am Telefon, gerade jetzt, wo ich eine kleine Erklärung gut hätte gebrauchen können, mit wem ich es hier zu tun hatte. Ich dachte, die Frau meinte den Ring, doch da fuhr sie auch schon fort: »Ist das nicht eine fantastische Farbe? Eine Lage Marshmallow und eine Lage Ballet Slipper. Eigentlich kam zuerst Ballet Slipper und dann zum Abschluss ein Decklack. Einfach perfekt – so hell und ohne dass es aussieht, als hätte man sich die Nägel mit White Out lackiert. Ich glaube, die Mischung nehme ich jetzt immer, wenn ich zur Maniküre gehe.« Damit machte sie auf dem Absatz kehrt und flanierte wieder hinaus. Ganz meinerseits. Erfreut, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben, schickte ich ihr als stummen Gruß hinterher.
Es hatte Spaß gemacht, meine Kollegen kennen zu lernen, alle wirkten nett und freundlich. Nur auf die bildschöne Spinnerin mit dem Nagellacktick hätte ich zur Not verzichten können. Emily war den ganzen Vormittag nicht von meiner Seite gewichen. Sie nutzte jede Gelegenheit, mich in die Feinheiten meiner neuen Stellung einzuweisen. Sie erklärte mir, wer wirklich wichtig war, wen man nicht vergrätzen durfte und mit wem man sich unbedingt anfreunden sollte, weil er die besten Partys schmiss. Als ich ihr von meiner Begegnung mit Miss Maniküre erzählte, strahlte sie.
»Ach!«, hauchte sie hingerissen. So begeistert hatte sie bis jetzt
noch auf keinen unserer Besucher reagiert. »Ist sie nicht entzückend?«
»Ja, doch. Schien ganz okay zu sein. Aber viel geredet habe ich nicht mit ihr. Sie hat mir bloß ihren Nagellack gezeigt.«
Emily lächelte stolz. »Ja, ja. So kennt man sie.«
Ich zermarterte mir das Hirn. War sie vielleicht ein berühmter Filmstar, eine Sängerin oder ein Model? Aber ich konnte sie nicht einordnen. Toll, sie war also berühmt! Vielleicht hatte sie sich deshalb nicht vorgestellt, weil sie dachte, ich würde sie sowieso erkennen. Doch da hatte sie sich leider verrechnet. »Keine Ahnung, wer sie ist. Müsste man sie kennen? Ist sie prominent?«
Emily starrte mich an. In ihrem Blick mischten sich Staunen und Entsetzen. »Kann man wohl sagen«, antwortete sie mit einer Betonung, als ob sie sagen wollte: Du Schwachsinnige. »Das war Jessica Duchamps.« Sie sah mich gespannt an. Ich sah sie gespannt an. Aber es kam nichts, weder von ihr noch von mir. »Du hast doch sicher schon mal etwas von Jessica Duchamps gehört?« Wieder ging ich im Geiste verschiedene Promilisten durch. Fehlanzeige. Auch mit dieser neuen Information konnte ich nicht das Geringste anfangen. Ich wusste bloß, dass ich dem Namen noch nie im Leben begegnet war. Außerdem ödete mich Emilys Ratespielchen langsam an.
»Emily, ich habe die Frau noch nie gesehen, und ihr Name sagt mir auch nichts. Würdest du mir bitte verraten, wer sie ist?« Ich musste mich zusammennehmen, damit ich nicht aus der Haut fuhr. Dabei interessierte es mich im Grunde nicht die Bohne, wer die Nagellackfetischistin war, aber Emily würde bestimmt nicht eher lockerlassen, bis sie mich als komplette Vollidiotin hingestellt hatte.
Diesmal lächelte sie herablassend. »Aber natürlich. Warum hast du das denn nicht gleich gesagt? Jessica Duchamps ist... eine Duchamps! Hast du sicher schon mal gehört, das erfolgreichste französische Restaurant in ganz New York! Es gehört ihren Eltern. Ist das nicht toll? Sie sind wahnsinnig reich.«
»Ach ja?« Ich tat beeindruckt. War das etwa schon alles? Man musste diese Frau also deshalb kennen, weil ihre Eltern ein Restaurant betrieben? »Ist ja super.«
Ich lernte auch telefonieren. Obwohl mir die Standardfloskel »Büro Miranda Priestly« schon bald recht flüssig über die Lippen ging, war Emily nicht die Einzige, die Angst davor hatte, es könnte womöglich ein Anruf von Miranda persönlich kommen. Einmal geriet ich tatsächlich in Panik, als ich eine Frau mit einem starken britischen Akzent am Apparat hatte, die ihren Namen nicht nannte und irgendetwas
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