Der Teufel trägt Prada
würdest …«
»Andrea!«, brüllte sie, als ich weiterstürmte und in der Eile einen Eiswürfel aus dem Glas schleuderte. »Vergiss nicht, andere Schuhe anzuziehen.«
Ich blieb wie angewurzelt stehen. O Gott, ich trug ja meine rattenscharfen roten Turnschuhe! Wenn Miranda nicht da war, wurden die offiziellen und die unausgesprochenen Bekleidungsvorschriften nicht ganz so streng gehandhabt wie sonst. Natürlich sahen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer noch wie aus dem Ei gepellt aus, aber sie alle gönnten sich mindestens ein Kleidungsstück, das sie nie, nie, nie im Leben in Mirandas Gegenwart angezogen hätten. Das beste Beispiel waren meine knallroten Sneaker.
Schweißgebadet lief ich wieder im Vorzimmer ein. »Ich habe alle Tageszeitungen bekommen, und die Wochenzeitschriften habe ich vorsichtshalber auch gleich mitgebracht. Aber es gibt ein Problem: Was sagst du zu diesen Schuhen?«
Emily riss sich den Kopfhörer herunter und pfefferte ihn auf den Schreibtisch. »Unmöglich, die kannst du nicht tragen.« Sie griff zum Telefon, wählte einen Hausanschluss und befahl: »Jeffy, bring mir sofort ein Paar Jimmys in Größe...« Sie sah mich an.
»Neuneinhalb.« Ich holte eine kleine Flasche San Pellegrino aus dem Schrank und schenkte das Glas ein.
»Neuneinhalb. Nein, sofort. Auf der Stelle. Nein, Jeff, das ist mein voller Ernst. Sofort. Andrea hat Turnschuhe an, knallrote Sneaker! Und Miranda kann jede Sekunde hier sein. Okay, danke.«
Erst jetzt fiel mir auf, dass Emily in den vier Minuten, die ich weg gewesen war, das Outfit gewechselt hatte. Statt der verwaschenen Jeans trug sie jetzt eine Lederhose, statt cooler Sneaker offene Stöckelschuhe. Außerdem war das Vorzimmer aufgeräumt. Alle Papiere und Unterlagen waren in die Schreibtischschubladen gewandert, und die Weihnachtsgeschenke, die noch nicht in Mirandas Apartment abgeliefert worden waren, lagerten jetzt im Schrank. Emily hatte die Lippen mit Lipgloss nachgezogen und sich mit ein bisschen Rouge einen Hauch Farbe auf die Wangen gezaubert. Nun bedeutete sie mir hektisch, endlich weiterzumachen.
Ich schnappte mir die Zeitungstüte, lief nach nebenan und kippte sie auf der Lightbox aus, einem von unten beleuchteten Tischchen, auf dem sich Miranda, wie Emily mir erzählt hatte, manchmal stundenlang die Aufnahmen ansah, die bei den Foto-Shootings angefallen waren. Außerdem hatten auf diesem Tisch die Zeitungen zu liegen. Dann konsultierte ich meine Aufzeichnungen, in welcher Reihenfolge ich sie anzuordnen hatte. Zuerst die New York Times , dann das Wall Street Journal und die Washington Post , immer leicht überlappend, so dass sie zum Schluss akkurat wie bei einer Truppenparade dalagen. Die einzige Ausnahme war Women’s Wear Daily , die präzise mitten auf Mirandas Schreibtisch zu liegen hatte.
»Sie ist da! Komm raus, Andrea! Sie ist auf dem Weg nach oben«, zischelte Emily. »Uri hat gerade angerufen, dass er sie vor einer Sekunde abgesetzt hat.«
Ich legte die WWD auf den Schreibtisch, stellte das Glas San Pellegrino daneben (auf welche Seite? O Gott, ich wusste nicht mehr, auf welche Seite das Glas kam), ließ noch einen letzten prüfenden Blick durch den Raum schweifen und hastete hinaus. Jeffy, einer der Mode-Assistenten, die für die Garderobe zuständig waren, warf mir einen Schuhkarton zu und suchte das Weite. Ich machte den Deckel auf. In einem Bett aus Seidenpapier prangte ein Paar Highheels von Jimmy Choo, die sicher ihre 800 Dollar wert waren. Mist! Wie sollte ich dieses Meisterwerk der abstrakten Schuhdesignerkunst bloß an meine biederen Füße kriegen? Ich riss mir die Turnschuhe und die nicht mehr ganz frischen Socken herunter und feuerte sie unter meinen Schreibtisch. Der rechte Jimmy machte mir keine gro ßen Probleme, aber beim linken kriegte ich mit meinen kurzen Fingernägeln ewig lange die Schnalle nicht auf. Es war ein Heidengefummel, bis ich sie endlich gelöst hatte. Kaum hatte ich den linken Fuß drin, schnitten mir auch schon die Kamelhaarriemchen ins Fleisch. Noch mal ein, zwei Sekunden, und ich hatte die Schnalle wieder zu. Ich kam gerade wieder aus
meiner gebückten Haltung hoch, als Miranda zur Tür hereinschritt.
Ich erstarrte zur Salzsäule. Stocksteif hing ich auf meinem Stuhl und rührte mich nicht mehr. Sie bemerkte mich sofort, wahrscheinlich, weil sie noch immer Emily auf ihrem alten Platz erwartet hatte. Sie kam auf mich zu, stützte sich auf den Sichtschutz und beugte sich über den Schreibtisch,
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