Der Teufel trägt Prada
näher und immer näher, bis sie mich voll im Blick hatte. Ihre stahlblauen Augen wanderten an meinem starren Körper von oben nach unten, von unten nach oben, von links nach rechts, von rechts nach links, über meine weiße Bluse, den roten Cordminirock von Gap und die in letzter Sekunde doch noch glücklich zugeschnürten Jimmy Choo Kamelhaarriemchensandalen. Sie nahm mich Zentimeter um Zentimeter unter die Lupe, meinen Teint, meine Frisur, meine Klamotten. So hurtig ihre Augen auch über mich hinweghuschten, ihre Miene blieb eisig. Sie lehnte sich noch ein Stückchen weiter vor, bis ihr Gesicht nur noch zwei Handbreit von mir entfernt war und mir ihr betörender Duft in die Nase stieg, eine Mischung aus teurem Shampoo und exklusivem Parfüm. So nah, dass ich die feinen Fältchen um Mund und Augen sah, die aus einer etwas angenehmeren Entfernung gar nicht aufgefallen wären. Aber allzu lange hielt ich es sowieso nicht aus, ihr ins Gesicht zu blicken, dafür musterte sie mich mit einem viel zu forschenden Blick. Es gab nicht das kleinste Anzeichen dafür, dass sie a) wusste, dass wir uns schon einmal begegnet waren, b) wusste, dass ich ihre neue Mitarbeiterin war, und c) wusste, dass sie nicht Emily vor sich hatte.
»Guten Tag, Ms. Priestly«, hörte ich mich mit einem zaghaften Piepsstimmchen sagen, obwohl sie mich noch gar nicht angesprochen hatte. Aber die Spannung war so unerträglich, dass ich einfach nicht länger an mich halten konnte, sonst wäre ich geplatzt. »Ich freue mich so darauf, für Sie arbeiten zu dürfen. Vielen Dank, dass Sie mir die Gelegenheit geben…« Halt die Klappe! Hast du denn gar kein Fitzelchen Würde im Leib?
Sie ging weiter. Hatte die Inspektion meiner Person beendet, sich wieder aufgerichtet und mich einfach dumm dasitzen lassen, während ich wie eine hirnlose Teenagerin vor mich hin plapperte. Vor lauter Verwirrung, Verlegenheit und Erniedrigung lief ich knallrot an. Dass ich das Gefühl hatte, von Emily mit mörderischen Blicken durchbohrt zu werden, trug auch nicht gerade zu meinem Wohlbefinden bei. Ich hob den Kopf und sah zu ihr hinüber. Tatsächlich. Wenn Blicke töten könnten …
»Ist das Bulletin auf dem neuesten Stand?«, fragte Miranda ins Blaue hinein, während sie schnurstracks auf die Lightbox zuhielt, wo ich die Zeitungen arrangiert hatte.
»Ja, Miranda. Hier ist es«, sagte Emily diensteifrig und tippelte auch schon eilig hinter ihr her, um ihr das Klemmbrett zu überreichen, auf dem wir alle Nachrichten festhielten, die für sie hereinkamen.
Ich rührte mich nicht von meinem Platz und beobachtete, wie Miranda durch ihr Büro wanderte: Sie spiegelte sich in den gerahmten Fotos, die an der Wand hingen. Emily huschte wieder heraus und machte sich an ihrem Schreibtisch zu schaffen. Es wurde kein Wort gesprochen. Dürfen wir nicht mehr miteinander reden, wenn Sie im Haus ist?, fragte ich mich. Dann stellte ich Emily die gleiche Frage, aber nicht laut, sondern per E-Mail! In Sekundenschnelle hatte ich ihre Antwort auf dem Bildschirm. Du hast es erfasst, schrieb sie. Wenn wir uns etwas zu sagen haben, flüstern wir. Ansonsten halten wir die Klappe. Und noch etwas: Du sagst nur dann etwas zu ihr, wenn sie dich vorher angesprochen hat. Und du nennst sie NIEMALS Ms. Priestly. Für uns ist sie Miranda, verstanden? Wieder kam ich mir so vor, als ob ich eine Ohrfeige bekommen hätte. Aber ich nickte bloß. Plötzlich bemerkte ich Mirandas Mantel. Ein Traum von einem Pelz, so achtlos auf meinen Schreibtisch geschmissen, dass ein Ärmel fast bis auf den Boden hing. Ich warf Emily einen fragenden Blick zu. Sie verzog das Gesicht, zeigte mit der Hand in Richtung des eingebauten Kleiderschranks und flüsterte: »Aufhängen!« Der Mantel war so
schwer wie eine Daunendecke, die gerade aus der Wachmaschine gekommen war, und ich brauchte beide Hände, damit er nicht über den Boden schleifte. Irgendwie schaffte ich es trotzdem, ihn vorsichtig auf einen seidenen Kleiderbügel zu hängen und die Schranktür lautlos zu schließen.
Ich saß noch nicht wieder an meinem Schreibtisch, als plötzlich Miranda neben mir stand. Diesmal konnte sie mich von allen Seiten betrachten, eine Gelegenheit, die sie sich nicht entgehen ließ. Es war ein Gefühl, als ob mein Körper unter dem Blick ihrer stahlblauen Augen Stück um Stück Feuer fing, aber ich war wie gelähmt und konnte meinen rettenden Stuhl nicht erreichen. Kurz bevor meine Haare aufflammten, sah sie mir in die Augen.
»Meinen
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