Der Teufel trägt Prada
sondern sogar noch ein paar gute Witze riss. Und es tat mir in der Seelewohl, dass Gisele Bündchen, die zurzeit angesagteste aller angesagten Frauen, ein winziges Persönchen war. Natürlich wäre es noch befriedigender gewesen, wenn sie sich als kleines Pummelchen erwiesen oder Akne gehabt hätte, die man bei ihren Fotoaufnahmen immer stundenlang wegretouchieren musste, aber dass sie so ein Zwerg war, reichte mir
eigentlich auch schon. Alles in allem war es bis jetzt echt kein schlechter Abend gewesen.
»Das wäre vielleicht doch eine Spur übertrieben«, antwortete ich und beugte mich vor, um einen tollen Mann näher ins Auge zu fassen, der sich neben dem Büchertisch in eine Ecke verkroch. »Aber bis jetzt war es wirklich nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Und nach einem Tag wie heute bin ich für jede Aufmunterung dankbar.«
Nach dem abrupten Auftritt und ebenso abrupten Abgang unserer Chefin teilte Emily mir mit, dass ich am Abend zum ersten Mal das BUCH in Mirandas Wohnung bringen sollte. Bei dem BUCH handelte es sich um das Vorabexemplar der jeweils im Entstehen begriffenen aktuellen Runway -Ausgabe, eine gebundene Sammlung telefonbuchgroßer Seiten. Wie Emily mir erzählte, fing die Arbeit für Redaktion und Herstellung eigentlich immer erst dann an, wenn Miranda nach Hause gegangen war. Tagsüber mussten die Layouter und Redakteure dauernd mit ihr konferieren, weil sie einmal pro Stunde das bisherige Konzept über den Haufen schmiss. Erst wenn sie abends mit den Zwillingen Familie spielte, konnten die anderen Mitarbeiter richtig loslegen. Dann wurden die neuesten Änderungswünsche für das Layout eingearbeitet, und die von Miranda mit einem riesigen MP auf der ersten Manuskriptseite abgesegneten Artikel erhielten den allerletzten Schliff. Anschließend schickten die Redakteure die Entwürfe an den Art Assistant, der alle Artikel, Fotos und das Layout durch eine kleine Maschine jagte, die die Rückseiten der einzelnen Blätter mit Folie laminierte und sie auf die richtige Seite im BUCH druckte. Sobald es fertig war, wurde es bei Miranda zu Hause abgeliefert, damit sie es Korrektur lesen konnte. Normalerweise wurde es ihr irgendwann zwischen acht und elf Uhr abends gebracht, je nachdem, in welcher Produktionsphase wir uns gerade befanden. Am nächsten Tag brachte sie das BUCH dann wieder mit ins Büro, und die Redaktion ackerte das ganze Ding noch mal von vorne durch.
Als Emily mitbekam, dass ich doch mit James auf die Party gehen wollte, sagte sie gehässig: »Aber dir ist schon klar, dass du hier nicht weg kannst, bevor das BUCH fertig ist?«
Ich machte große Augen. James sah so aus, als ob er ihr an die Kehle gehen wollte.
»Tja, damit musst du dich von nun an abfinden. Das ist das Beste an meiner Beförderung, dass ich diese Aufgabe los bin. Es kann manchmal sehr, sehr spät werden, aber Miranda muss das BUCH jeden Abend vorliegen haben. Sie arbeitet es zu Hause durch. Heute bleibe ich noch länger da und zeige dir, was du machen musst, aber ab morgen bist du auf dich allein gestellt.«
»Okay, danke. Was meinst du, wird es spät werden?«
»Keine Ahnung. Es ist von Abend zu Abend verschieden. Du könntest höchstens mal in der Herstellung nachfragen.«
Ich hatte Glück, das BUCH war schon relativ früh fertig, um halb neun. Nachdem ich es bei einem erschöpften Art Assistant abgeholt hatte, machten wir uns auf den Weg. Emily, die einen ganzen Schwung frisch gereinigter Sachen in Kleiderhüllen über dem Arm hatte, erklärte mir, dass der Klamottentransport zur abendlichen BUCH-Ablieferung dazugehörte. Es lief folgendermaßen ab: Miranda brachte ihre schmutzige Wäsche morgens mit ins Büro. Eine von uns (von nun an also ich) rief die Reinigung an, die die Sachen postwendend abholte und am nächsten Tag tiptop gereinigt wieder zurückbrachte. Wir hängten sie bei uns im Vorzimmer in den Schrank, bis wir sie entweder an Uri weitergeben konnten oder sie selbst zu Miranda in die Wohnung brachten. Kaum zu glauben, aber die intellektuellen Herausforderungen meines Jobs wurden von Tag zu Tag anspruchsvoller.
»’n Abend, Rich!«, rief Emily kumpelhaft dem Pfeife qualmenden Fuhrparkchef zu, den ich an meinem ersten Tag kennen gelernt hatte. »Das ist Andrea. Sie liefert in Zukunft jeden Abend das BUCH ab. Würden Sie dafür sorgen, dass sie immer einen guten Wagen bekommt?«
»Wird gemacht, Rotschopf.« Er nahm die Pfeife aus dem Mund und deutete damit auf mich. »Ich kümmere mich
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