Der Teufel und die Lady
Jagd ging, um ihre Kessel zu füllen. Was Evelinde allerdings stutzig machte, war die Tatsache, dass Biddy gleich zwei Köcher mit verschieden befiederten Pfeilen besaß.
Doch auch diese Frage schob sie vorübergehend von sich und wandte ihre Aufmerksamkeit den Truhen zu. Sie kniete vor der ersten nieder, schlug den Deckel auf und stellte fest, dass der Inhalt allein aus Kleidern zu bestehen schien. Flink durchwühlte sie die Kleidungsstücke, wobei sie darauf achtete, diese nicht allzu sehr durcheinanderzubringen und so erkennen zu lassen, dass sie durchstöbert worden waren. Das hielt Evelinde in ihrer Suche zwar etwas auf, doch sie wusste noch nicht mit Gewissheit, ob Biddy sich etwas hatte zuschulden kommen lassen, und sie wollte die Frau nicht unnötig verärgern … zumindest nicht, bis sie sicher war.
Nachdem sie festgestellt hatte, dass sich tatsächlich nur Gewänder in der ersten Kiste befanden, schloss Evelinde den Deckel wieder und erhob sich, um sich die zweite vorzunehmen. Diese enthielt Leinentücher, Kissen und ähnliche Dinge, darüber hinaus aber nichts von Belang. Enttäuscht schloss Evelinde auch diese Truhe und wandte sich dann der letzten zu. Schon als sie den Deckel hob, stieß sie einen leisen Seufzer aus. Der Inhalt dieser Truhe sah bereits auf den ersten Blick vielversprechender aus. Sie enthielt Gegenstände, die offensichtlich einem Mann gehörten – es waren wohl Darachs Habseligkeiten, nahm Evelinde an. Jedoch weit wichtiger war der Stapel Briefe, der ganz unten lag.
Sie nahm die Briefe heraus und entfaltete einen nach dem anderen, wobei sie sich schuldig fühlte, derart in Biddys intimsten Bereich vorzudringen. Zugleich aber war sie fest entschlossen zu erfahren, was sie erfahren konnte. Es waren viele Briefe. Evelinde blätterte sie hastig durch und stieß ziemlich am Ende der Sammlung auf die Korrespondenz zwischen Jenny und Biddy. Erst diese las Evelinde ein wenig genauer, selbst wenn sie auch hier nur die Zeilen überfliegen konnte.
In dem ersten Schreiben ging es lediglich um Jennys anstehenden Besuch auf Donnachaidh. Jenny zeigte sich voller Vorfreude auf ein Wiedersehen mit ihrer älteren Schwester. Es schien, als sei Jenny zuvor noch nie auf Donnachaidh gewesen und als habe Biddy MacFarlane, ihr Elternhaus, nur selten und in großen Abständen besucht. Biddy wie auch Jenny schienen erfreut darüber, sich wiederzusehen.
Der zweite Brief ähnelte dem ersten vom Inhalt her und war so kurz vor der Abreise verfasst worden, dass Jennys freudige Erregung dem Leser förmlich entgegensprang.
Der letzte Brief allerdings sorgte mit seinem Inhalt dafür, dass Evelinde sich zurücklehnte und die Worte aufmerksam las, anstatt sie nur zu überfliegen. Es war das letzte Schreiben, das Jenny verfasst hatte, und der Tonfall war gänzlich anders als der der vorangegangenen Briefe. Die Jenny, die diese Zeilen verfasst hatte, war entkräftet und unglücklich gewesen. Und in dem vorliegenden Schriftstück teilte sie Biddy mit, dass sie sich das Leben nehmen werde und warum.
Als Evelinde das Schreiben schließlich zusammenfaltete, atmete sie hörbar durch. Die Worte waren erschütternd und traurig, und aus ihnen sprach ein solches Maß an Verrat und Hoffnungslosigkeit, dass ihr beim Lesen Tränen in die Augen getreten waren. Nachdem sie den Deckel der Truhe geschlossen hatte, kam Evelinde erschöpft auf die Beine und schob den Brief in ihre Rocktasche. Sie musste mit Biddy sprechen, und dieses Mal würde sie keine ausweichenden Antworten dulden.
16. KAPITEL
Cullen starrte Biddy an. Er sah, wie sich ihre Lippen bewegten, vernahm aber kaum, was sie sagte. Er war zu sehr damit beschäftigt zu überlegen, wie er sie davon abhalten konnte, den Weg zu ihrer Kammer fortzusetzen. Immerhin hatte er sie zumindest vorübergehend aufhalten können, indem er sie gefragt hatte, ob sie wisse, wie sich die Brandmale auf dem Boden des Wohngemachs entfernen ließen. Biddy war ihm in dieses gefolgt und hatte seitdem nicht aufgehört zu reden. Doch sie würde ihre diversen Vorschläge bald unterbreitet haben, und dann musste Cullen sich etwas anderes einfallen lassen, um sie daran zu hindern, in ihr Gemach zu gehen.
»So sollte es gehen«, beendete Biddy ihre Ausführungen und schaute dann kurz zu der Ecke hinüber, in welcher der hölzerne Kronleuchter hing, bevor sie ihren Blick abrupt löste und sich zur Tür wandte. »Ich sollte längst wieder in der Küche sein und wollte nur eben meine Schürze aus
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