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Der Teufel vom Waiga-See

Der Teufel vom Waiga-See

Titel: Der Teufel vom Waiga-See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Kreisen?“
    „Im Moment würde ich mich
Hungerkünstler nennen.“
    Sie nickte. „Ich hab’ dir was
mitgebracht.“
    Genie nahm die gefüllte
Plastiktüte vom Gepäckträger. Noch vor dem Frühstück hatte die Gräfin den
Inhalt in der Speisekammer zusammengestellt — unbemerkt von der Köchin — und
dann bei der Remise versteckt: Hartwürste, Brot, Käse, Pulverkaffee, eine
Flasche Wein und — gekochte Frühstückseier.
    „Ich könnte dich küssen“,
meinte Poldgar und lächelte zahnreich. „Jetzt fühle ich mich wie ein
Feriengast.“
    „Du gibst das Stichwort. Ab
morgen mittag wird es hier lebhaft zugehen. Meine Tochter hat vier Freunde aus
Deutschland eingeladen — drei Jungs und ein Mädchen in ihrem Alter. Bestimmt
schwirren die dann alle hier rum.“
    „Die machen genügend Lärm. Die
höre ich rechtzeitig.“
    „Hoffentlich. Falls du noch was
brau...“
    Sie hielt inne mitten im Wort.
    Ein Blitzstrahl hatte ihre
Augen getroffen.
    Und wieder blitzte es auf —
drüben am Waldrand, etwa 1000 Meter entfernt.
    „In die Hütte, Poldgar! Los, in
die Hütte! Mach schon!“ schrie sie.
    Der Ganove reagierte sofort,
packte Tüte und Jacke und sauste durch die geöffnete Tür hinein.
    Das Blockhaus wäre stabil genug
gewesen für sibirische Winter, hatte vergitterte Fenster, eine schwere Tür und
Schindeldach. Allerdings gab es nur einen einzigen Raum.
    Der war vollgestellt mit
Gartenmöbeln, zwei Liegen und Angelgerät.
    „Was ist los?“ fragte Prüffe
aus dem schattigen Innenraum. Genie stellte sich neben die Tür.
    „Am Waldrand steht jemand. Mit
Fernglas. Sonnenlicht ist auf die Gläser getroffen. Hast du nichts bemerkt?“
    „Nichts. Vermutest du — dein
Mann beobachtet uns?“
    „Bachti ist nach Weinfurth
gefahren. Aber Oldo, mein Neffe, ist zur Zeit häufig im Wald drüben. Wir
schlagen dort Holz. Außerdem könnte es auch der alte Schelldorn sein, der Fetzenschädel.
Ihm gehört das Gehöft bei der alten Straße.“
    „Da bin ich vorbeigekommen. Die
Bruchbude verfällt.“
    „Schelldorf ist nicht mehr ganz
richtig im Kopf. Aber harmlos.“
    „Siehst du jemanden?“
    „Nein. Beim Waldrand rührt sich
nichts. Ich fahre jetzt zurück. Sei vorsichtig — um Himmels willen!“
    Prüffe erwiderte was. Doch das
hörte sie nicht mehr. Sie war schon bei ihrem Rad, stieg auf und fuhr dem
Herrenhaus entgegen.
     
    *
     
    Das Gepäck bestand aus Tims Touren-Rucksack,
Gabys übergroßer Reisetasche, Klößchens Knautsch-Koffer und Karls See-Sack. Die
Bahnfahrt dauerte etliche Stunden, verging aber wie im Flug. Ein sonniger Tag.
    Jetzt hielt der Europa-Express.
    „Weinfurth am Waiga-See“,
teilte eine lätscherte Stimme über Lautsprecher mit.
    Die TKKG-Bande, im Gänsemarsch
aufgereiht, blockierte den Seitengang nahe der Tür.
    Ein griesgrämiger Opa, der
rasch zur Toilette wollte, kam nicht an Tims Rucksack vorbei.
    „Jetzt dürfen Sie ohnehin
nicht“, erklärte der TKKG-Häuptling. „Sie wissen doch: Nicht, wenn der Zug
hält. Also kein Grund zur Eile.“

    Der Lokführer bremste zu
scharf.
    Gaby fiel Tim in die Arme.
    Über ihre Goldmähne sah er
durchs Fenster auf den Bahnsteig.
    Thea stand dort, hatte ihre deutschen
Freunde entdeckt und hüpfte von einem Sandalenfuß auf den andern.
    Tim sprang auf den Bahnsteig,
ließ sich Gabys Tasche herausreichen und wäre dann — beinahe — von Thea umarmt
worden.
    Sie merkte noch rechtzeitig,
daß ihr dieses nicht zukam, und schloß Gaby in die Arme.
    Ein großes Hallo.
    Der Opa war versehentlich mit
ausgestiegen, machte jetzt kehrt und schloß sich in der Toilette ein.
    „Das ist mein Cousin Oldo“,
sagte Thea und zerrte einen großen Typ hinter dem Gepäckkarren hervor.
    Oldo lächelte schief, stellte
Tim fest, nur links. Aber das scheint ‘ne Gewohnheit zu sein. Hat wohl nichts
mit uns... brrrhhhh — ist hier eine Schnapsbrennerei? Der Cousin riecht ja, daß
die Heilsarmee Überstunden macht.
    Oldo schüttelte allen die Hand.
    „Gute Idee von Thea, euch
einzuladen. Im Herrenhaus Durstilitsch weht immer derselbe, alte Wind. Wir
brauchen einen frischen.“
    „Zum Windmachen“, lachte Karl,
„sind wir immer gut.“
    Während sie zum Ausgang des Bahnhofs
gingen, erkundigte sich Gaby bei Thea, ob es schlimmen Zoff gegeben habe — mit
den Eltern.
    „Im Gegenteil“, lachte die
Grafentochter. „Gar nicht. Die Freude, daß ich gesund zurückbin, überwog. Ich
kam mir richtig schlecht vor.“
    „Bist du auch“, sagte Tim.
    „Endlich jemand,

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