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Der Teufel vom Waiga-See

Der Teufel vom Waiga-See

Titel: Der Teufel vom Waiga-See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Oldos
Vater begriff, was er angerichtet hatte, ließ er sein Gewehr fallen, zog die
Pistole und schoß sich eine Kugel ins Herz. Unbeschadet überstand nur der Löwe
das Drama. Erschreckt von den Schüssen, verschwand er in der Savanne.
    Gebacht von Durstilitsch
betrauerte seinen Bruder sowie die Schwägerin, die er sehr gemocht hatte, und nahm
Oldo hier ins Haus auf. Damit befanden sich alle — noch lebenden —
Durstilitsches unter einem Dach. Und Oldo konnte täglich die Gemälde-Sammlung
bewundern, für welche die Durstilitsches berühmt waren. Eine Sammlung alter
Meister der europäischen Malerei, eine Sammlung, die sich seit Generationen im
Besitz der Adelsfamilie befand.
    Der Wert der Bilder war kaum
schätzbar. Außerdem hatte es seine Bewandtnis mit dieser Sammlung.
    Sie durfte — das war verbriefte,
testamentarisch-festgelegte Tradition innerhalb der Durstilitsch-Familien — nur
an einen männlichen Erben weitergegeben werden.
    Das bedeutete: Oldo würde eines
Tages — nach dem Ableben seines Onkels — die Gemälde-Sammlung sein eigen
nennen.
    Denn Gebacht von Durstilitsch
hatte nur eine Tochter.
    Daß seine Frau ihm keinen Sohn
geboren hatte, war einer der Gründe, weshalb Bachti seine Liebe zu Eugenie
erkalten ließ.
    Mädchen zählten bei den
Durstilitsches nicht viel.
    Was das betraf, dachte und
handelte Graf Bachti wie seine Vorfahren im finsteren Mittelalter.
    „Kann ich ein Ei haben?“ fragte
Oldo. „Oder sind alle weg? Ich habe schon zwei Stunden gearbeitet, aber noch
nicht gefrühstückt.“
    Er setzte sich.
    Thea blickte auf dem Tisch
herum. „Du kommst zu spät. Papa hat wieder alle Eier gegessen.“
    Oldo seufzte, als hätte man ihm
was angetan.
    Er ähnelte dem Urgroßvater
Branco-Josef, wie sich anhand der Ahnengalerie leicht nachweisen ließ. Oldo war
groß, hatte dunkles Haar und graue Augen, bewegte sich hastig und lächelte nur
mit dem linken Mundwinkel.
    Wie auch der Urgroßvater liebte
Oldo den Schnaps. Es kam häufig vor, daß Bachtis Neffe betrunken neben der
Remise lag. Seinen Rausch schlief er immer im Freien aus.
    Natürlich kam es deshalb zu
Szenen und Ermahnungen. Aber Oldo entschuldigte sich damit, daß ihn zuweilen
der Kummer packe — der Kummer über das gräßliche Ende seiner armen Eltern.
    Genie und Bachti glaubten das
und ließen sich milde stimmen.
    Thea wußte es besser. Oldo war
hinter seinem freundlichen Wesen ein wüster und versoffener Bursche, ohne
Charakter und Hemmungen. Aber es war ihr egal.
    „Kein Ei, kein Frühstück.“
    Oldo lächelte aus dem linken
Mundwinkel, stand wieder auf, grapschte sich eine trockene Semmel und ging
hinaus.
    „Ich laß dich allein“, sagte
Genie zu ihrer Tochter. „Ich will noch... Also, bis nachher.“
    Thea nickte. Sie aß morgens
immer zwei Honigsemmeln und trank Pfefferminztee oder Einspänner (Kaffee mit
viel Schlagsahne).
    Während die Grafentochter an die
TKKG-Bande dachte, verließ Genie das Herrenhaus. Sie stieg auf ihr Tourenrad,
das immer irgendwo an der Wand lehnte, und fuhr über den etwa 1000 Meter langen
Wiesenweg hinunter zum See.

8. Blinkende Gläser am Waldrand
     
    Die Blockhütte stand auf einer Feuchtwiese
— auf aufgeschüttetem Grund. Man hörte hier das Plätschern der Wellen. Der
Morgenwind bewegte das Schilf. Aus dem Schutzgebiet flogen Wasservögel auf.
    Poldgar Prüffe hatte sich vor
die Hütte gesetzt. Seine Jacke lag neben ihm, das Hemd war geöffnet. Der Ganove
genoß den sonnigen Morgen.
    Knirschte da Sand?
    Prüffe sprang auf und äugte um
die Hausecke. Aber im Ernstfall wäre nichts mehr gegangen.
    Genie stieg vom Rad, sah ihren
Jugendfreund an und fühlte sich verlegen.
    Natürlich — auch bei ihm hatten
die Jahre Spuren hinterlassen. Aber er sah immer noch gut aus. Wie auf dem
Foto, lediglich gereift. Aber nur äußerlich. Daß er sich innerlich nicht
entwickelt hatte, bewies seine verbrecherische Karriere.
    Doch daran dachte Eugenie jetzt
nicht. Sie war überwältigt vom Wiedersehen nach so vielen Jahren.
    „Nennst du das Vorsicht?“
fragte sie als erstes, um ihre Befangenheit zu überspielen. „Oder hätte ich mit
der Fahrradglocke klingeln müssen, damit du aufmerksam wirst.“
    Er lachte. „Frau Gräfin, Sie
sind noch schöner als damals.“
    „Hast du dich schon eingelebt —
hier am See?“
    „Ich kann’s aushalten, bis
meine Kumpel mich abholen.“
    „Der Maulwurf und der
Stehgeiger.“
    „Du hast dir’s gemerkt.“
    „Und wie nennt man dich — in
deinen

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